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Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Flohr
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Uniformen vorbeikommen. Dann schreien alle hurra!«
    Elisabeth sah Friderike ungläubig an. »Das haben wir hier noch nicht erlebt.«
    »Dann wird es Zeit, dass wir es den Hamburgern beibringen«, sagte Babette, »oder werden hier keine Soldaten eingezogen?«
    »Das wohl schon. Ich weiß aber gar nicht, ob ich das gut finde«, wandte Friderike ein. »Auf der Straße stehen und schreien, weil welche in den Krieg ziehen – das ist doch verrückt.«
    Babette zog die Brauen in die Höhe. »Gut, dass dich hier keiner hört«, sagte sie und sah sich in ihrem Zimmer um.
    »Wer soll mich denn hören? Und wenn schon …«
    »Na ja, die Hamburger«, sagte Babette, »die sind eben etwas hinterm Mond. Los, kommt, wir zeigen denen mal, wie’s geht! Gleich heute Abend!«
    Widerstrebend und neugierig zugleich schlossen sich Elisabeth und Friderike Babette an, die vorschlug, am Gänsemarkt zu warten. Sie habe gehört, hier kämen häufig Rekruten auf dem Weg zum Bahnhof vorbei. Sie bezogen am Lessing-Denkmal Stellung.
    Die Hamburger Innenstadt war still und nahezu menschenleer. »Ausgestorben«, sagte Babette, nachdem sie eine Weile gestanden und lange Hälse gemacht hatten. »Was ist denn hier los?«
    »Hier sind nur Kontorhäuser und Geschäfte«, erklärte Friderike ihr, »abends kommt fast niemand mehr her.«
    Babette schüttelte entrüstet und ungläubig den Kopf. »Was sind denn das für Leute? Man muss doch abends raus, was erleben, tanzen gehen, ins Theater gehen, essen …«
    »So etwas machen die Hamburger wohl nicht«, antwortete Elisabeth, »aber immerhin lassen sie Frauen an ihre Universität. Das ist doch ein Anfang, oder?«
    »Was glotzt der so?«, sagte Friderike leise und deutete auf einen Schutzmann, der auf der anderen Straßenseite stand und zu ihnen herüberblickte. »Hat der noch nie Frauen gesehen?«
    »Vielleicht noch keine in Hosen«, sagte Babette und sah an Friderike herunter. »Warum trägst du die eigentlich? Das wollte ich dich schon die ganze Zeit fragen.«
    Motorengeräusch vom Jungfernstieg her übertönte Friderikes Antwort. Gespannt beugten sich alle drei vor – und tatsächlich rumpelte ein offenes Auto heran, in dem vier junge Männer saßen. »Seht ihr, seht ihr, ich hatte recht!«, rief Babette begeistert und lief an den Straßenrand. Sie sprang auf und ab, schrie aus vollem Hals, schwenkte ihre Arme. Die Fahrzeuginsassen ebenso wie Elisabeth und Friderike sahen sie entgeistert an. Babette lief ein Stück neben dem Auto her und warf den Männern Kusshände zu. Fast hätte sie dabei den Schutzmann umgerannt, der eilig die Straße überquerte und sich dann Babette in den Weg stellte.
    *
    Die abgeschabte Holzbank auf der Polizeiwache in der ABC-Straße war eigentlich zu kurz für drei Personen, aber man hatte sie aufgefordert, dort zu warten. Der weiß gekalkte Flur wurde durchein kleines, hoch angebrachtes Fenster schwach beleuchtet. Elisabeth beobachtete die winzigen Staubteilchen, die in den letzten Sonnenstrahlen des Tages vor dem Fenster auf und ab tanzten. Friderike hatte alle Hände voll zu tun, Babette auf ihrem Platz zu halten, die immer wieder Anstalten machte aufzuspringen, und den Tränen nahe war.
    »Idiot! Idiot! Idiot!«, zischte sie. »Für was hält der sich? Wie redet der mit mir? Fette Pickelhaube, der!«
    Friderike sah sie erstaunt an. »So kenne ich dich ja gar nicht. Ich dachte, du magst fesche Uniformen?«
    »Fesche ja, aber doch nicht solche! Ausgebeult und zerknittert! Und wie der mich angefasst hat – ich wette, mein Arm ist voller blauer Flecke!«
    »Die gehen wieder weg – Hauptsache, sie lassen uns hier wieder raus«, sagte Elisabeth, als sich die Tür des Dienstzimmers öffnete und eine Hand im Türrahmen erschien, die sie hereinwinkte.
    Im Gänsemarsch betraten sie den Raum, Friderike vorweg, Babette machte sich hinter Elisabeth klein. »Sie da, nach vorn – vor den Tisch!«, sagte ein Uniformierter, der auf einem Drehstuhl hinter dem Schreibtisch thronte, und deutete auf Babette, die daraufhin an Elisabeth und Friderike vorbeitrippelte und vor dem Schreibtisch Aufstellung nahm.
    Der Beamte musterte sie in aller Ruhe von oben bis unten. »Nehmen Sie den Hut ab, wenn Sie mit mir reden«, sagte er dann.
    Babette bemühte sich, ihren kleinen, roten Hut, der schräg auf ihrem hochgesteckten Haar befestigt war, vom Kopf zu bekommen, während Friderike versuchte, eine Woge ohnmächtigen Zorns zu unterdrücken, die sie in sich aufsteigen spürte. Sie unterlag. »Sie

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