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Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Zeiten der Hoffnung: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Flohr
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redet ja gar nicht mit Ihnen!«, platzte es aus ihr heraus. »Behalt den Hut auf, Babette!«
    Der hinter dem Wachhabenden stehende Schutzmann, der die drei vom Gänsemarkt zur Polizeiwache geführt hatte, machte zwei angesichts seiner Leibesfülle erstaunlich behende Schritte auf Friderike zu. »Lassen Sie sie!«, befahl der andere. »Mit der Dame reden wir später.«
    Dann konzentrierte er sich wieder auf Babette. »Babette heißenSie also, ja? Darf ich Sie so nennen?« Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr er in betont freundlichem Tonfall fort: »Für Mädchen wie Sie haben wir hier in Hamburg spezielle Straßen. Der Gänsemarkt gehört nicht dazu. Aber da Sie offenbar nicht von hier sind, konnten Sie das natürlich nicht wissen. Obwohl – mitten in der Öffentlichkeit auf Kundenfang zu gehen, das ist ja wohl selbst in Berlin nicht an der Tagesordnung, oder? Sie stammen doch aus Berlin, richtig?«
    Babette lief feuerrot an und nickte mit dem Kopf. »Das merkt man«, freute sich der Wachhabende darüber, dass er richtig getippt hatte. »Unverkennbar, die Berliner Schnauze, nicht wahr? Was wollen Sie hier in Hamburg – außer Ruhe störenden Lärm veranstalten?«, fuhr er dann in scharfem Ton fort. »Wir haben hier genug Mädchen von Ihrer Sorte, wir brauchen keine von auswärts, auch nicht aus der Hauptstadt – erst recht nicht aus der Hauptstadt, möchte ich meinen!«
    »Was haben Sie gegen die Stadt, in der unser Kaiser lebt?«, ließ sich plötzlich Friderike vernehmen und trat vor. »Ich glaube, Sie sollten etwas genauer überlegen, was Sie so daherreden!«
    Der Wachhabende erhob sich und trat hinter seinem Schreibtisch hervor. »Und Sie?«, fragte er, »welchen Geschäften gehen Sie nach – als Mann verkleidet?«
    »Ich studiere«, sagte Friderike und beugte sich vor, so dass ihr Gesicht dicht vor seinem war. »Jura. Und daher weiß ich, dass das, was Sie hier gerade machen, in mehrfacher Hinsicht sehr zweifelhaft ist. Über einiges könnte ich hinwegsehen – Freiheitsberaubung, Beleidigung, Einschüchterung –, allerdings über eines nicht: Was Sie über unseren Kaiser und seine Hauptstadt gesagt haben, das kann man nicht so einfach auf sich beruhen lassen.«
    Der Schnauzbart des Mannes zitterte, er malmte mit dem Kiefer und wippte auf den Fußballen, so dass er hin und wieder Friderikes Augenhöhe erreichte, die ihn um einige Zentimeter überragte.
    »Sie möchten hier keine Besucher aus der Stadt unseres Kaisers? Haben wir richtig gehört?«, fuhr sie fort.
    Es war der Wachtmeister, der die Initiative ergriff. »Warten Siedraußen«, sagte er, öffnete die Tür der Wachstube und deutete auf die Bank, auf der sie zuvor schon gesessen hatten.
    »Die ist etwas schmal für drei schlanke Personen«, sagte Friderike spitz und blieb stehen.
    Der Mann senkte den Kopf und ballte seine Fäuste. »Übertreiben Sie es nicht!«, sagte er mühsam beherrscht. Dann ging er in die Wachstube und zog die Tür hinter sich zu.
    Niemand hielt sie auf, als die drei jungen Frauen die Wache verließen und durch die menschenleere Dammtorstraße zurück zur Schlüterstraße gingen.
    *
    Der Tag hielt noch mehr für Elisabeth bereit. Kaum hatte sie die Wohnung betreten, kam Frau Eisenblätter aus ihrem Zimmer und wedelte mit der Tageszeitung. »Elisabeth!«, rief sie, »Sie haben doch Verwandtschaft in Frankreich, im Elsass, richtig?«
    Elisabeth nickte. »Die Franzosen haben es befreit – oder genauer gesagt: annektiert, wie es bei uns heißt.« Sie reichte Elisabeth die Zeitung und deutete auf einen Artikel auf der ersten Seite. »Und dann ist hier noch Post für Sie gekommen, Feldpost aus Belgien.«
    Elisabeth wurde bleich, sie setzte sich auf den Stuhl, der im Flur neben der Garderobe stand. Ihr war übel. »Was ist denn, Kindchen?«, fragte Frau Eisenblätter besorgt. »Ein Brief von Ihrem Verlobten!«
    Elisabeth hob den Kopf und sah sie verständnislos an. »Oder was er auch immer sein mag«, korrigierte sich Frau Eisenblätter, »auf jeden Fall der, der Ihnen schon mal geschrieben hat.« Sie reichte Elisabeth den Brief, dessen Absender Robert von Trenck war.
    Wortlos erhob sich Elisabeth, ging in ihr Zimmer und nahm den Brief aus dem Kuvert, das offensichtlich bereits geöffnet worden war, und las. Wilhelm sei verhaftet worden, weil er bei der Heeresleitung Beschwerde eingelegt hatte wegen der Militäraktionen gegen die belgische Bevölkerung. Er säße in Arrest, die Anklage laute auf Hochverrat, die Verhandlung stünde

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