Zeitenzauber: Das verborgene Tor. Band 3 (German Edition)
Schmuck – alles weg. Sogar unser Brillantcollier.«
»Was?« Ich erschrak. »Aber wieso …?«
»Der Mistkerl hat alle wertvollen Dinge mitgenommen und nur den Kleinkram dagelassen. Ich habe ein paar silberne Kerzenleuchter eingepackt, die könnten wir vielleicht zu Geld machen. Aber nur im absoluten Notfall, weil Fitzjohn bestimmt alle einschlägigen Pfandleihen überwachen lässt. Ich hoffe, du hast noch ein bisschen Bares dabei.«
Bestürzt sah ich ihn an. »Nur das bisschen Reisegeld, das ich eingesteckt hatte.«
»Das muss reichen.«
»Es reicht höchstens für ein paar Mahlzeiten und eine Übernachtung.«
»Wir werden eben unsere Ansprüche etwas runterfahren müssen.« Er schulterte seinen Reisesack und verzog das Gesicht, weil die Bewegung ihm wehtat. »Lass uns von hier verschwinden.«
So leise wie möglich gingen wir nach unten. In der Halle blieb ich wie angewurzelt stehen. Aus der Küchenetage einen Stock tiefer war ein unverkennbares Geräusch zu hören. Es wäre ein begeistertes Bellen gewesen, wenn Sisyphus ein paar Monate älter gewesen wäre, aber da er noch ein Welpe war, klang es eher wie ein freudiges Fiepen.
»Warte einen Moment«, sagte ich, und bevor Sebastiano Einspruch erheben konnte, war ich schon auf dem Weg in die Küche. Das Hundekörbchen stand neben dem Herd. Ich hatte Mrs Fitzjohn extra darum gebeten, Sisyphus nicht allein zu lassen und auch nachts nach ihm zu sehen, weil er sich in der fremden Umgebung und ohne seine Mutter sicher ängstigen würde. Anscheinend war sie davon ausgegangen, ein Schlafplatz in der Küche sei mehr als gut genug für den kleinen Kerl.
Er war aus seinem Körbchen geklettert und kam auf mich zugelaufen. Aufgeregt versuchte er, an mir hochzuspringen, und als ich neben ihm in die Knie ging, fing er sofort an, mir dankbar die Hand zu lecken.
»Was soll nun aus dir werden?«, fragte ich ratlos. Aber im Grunde kannte ich die Antwort bereits, noch bevor er mit seinem hilflosen Jaulen loslegte und mich mit großen Augen anflehte.
»Schon gut, ich nehme dich mit. Aber du musst jetzt wirklich still sein.«
Und erstaunlicherweise war er das dann auch, woran man eindeutig erkennen konnte, wie clever er war. Ich packte ihm einen Knochen zum Spielen und Kauen in den Deckelkorb, und sofort fing er an, geschäftig daran herumzunagen. Mit dem Körbchen in der Hand ging ich zurück nach oben in die Halle, wo Sebastiano mit unergründlicher Miene auf mich wartete.
»Wenn wir uns sowieso verstecken müssen, kann er genauso gut mit uns kommen«, verteidigte ich meinen spontanen Entschluss.
Sebastiano sah mich ein paar endlose Sekunden lang an, und ich richtete mich auf eine zähe Diskussion ein. Vorsorglich brachte ich eines meiner besten Argumente gleich als Erstes.
»Er ist ein wirklich nützlicher Begleiter«, erklärte ich. »In ihm steckt ein prima Wachhund. Hast du gehört, wie er angeschlagen hat, als er mitkriegte, dass jemand hier in der Halle ist? Und dabei waren wir absolut leise. Das muss ihm erst mal einer nachmachen!« Es hätte sich bestimmt viel überzeugender angehört, wenn ich laut und nachdrücklich hätte sprechen können statt bloß zu flüstern.
»Anna.« Sebastiano seufzte. Dann streckte er zu meiner Überraschung die Hand aus und streichelte meine Wange. »Was soll ich nur mit dir machen?«
»Keine Ahnung«, erwiderte ich ehrlich.
»Eigentlich sollte ich wahnsinnig sauer auf dich sein, weißt du das?«
»Das solltest du wirklich«, sagte ich mit klopfendem Herzen. »Zumal ich selber auch wahnsinnig sauer auf mich bin. Streng genommen müsstest du mir noch ein paar zusätzliche Ohrfeigen verpassen. Oder mich wenigstens ein bisschen anbrüllen. Obwohl – das könnte jemand hören, und wir müssen ja leise sein. Aber später solltest du es auf alle Fälle tun.«
»Ich werde darüber nachdenken. Jetzt lass uns erst mal von hier verschwinden.«
»Aber wohin denn?«
»Uns wird unterwegs schon was einfallen.«
»Du darfst doch noch gar nicht herumlaufen! Der Arzt hat gesagt …«
»Wenn wir hierbleiben, können wir bald nie wieder herumlaufen.«
Und so verließen wir mitten in der Nacht Foscary House und damit unser luxuriöses Leben. Der Himmel hatte sich zugezogen, die Dunkelheit war schwarz und bedrohlich. Wolken verhüllten den Vollmond, während wir uns auf den Weg machten, ohne Hoffnung und ohne zu wissen, was uns die Zukunft bringen würde.
TEIL VIER
I
ch habe gerade vorn an der Ecke einen von unseren ehemaligen
Weitere Kostenlose Bücher