Zeitenzauber: Das verborgene Tor. Band 3 (German Edition)
habe ich definitiv.«
Ich wandte mich um und eilte zur Treppe. Sebastiano folgte mir. »He, was hast du vor?«
Ich bog von der Dienstbotentreppe in Richtung Herrschaftstrakt ab. »Ein paar wichtige Dinge aus meinem Ankleidezimmer mitnehmen. Denn jetzt weiß ich, dass ich sie brauche.«
Die wenigen Tage bis zu Prinnys Feier verflogen im Nu. Wir waren ständig in Bewegung und blieben selten länger als ein paar Stunden an einem Ort. Einmal scheuchte uns José sogar mitten in der Nacht hoch, weil er glaubte, irgendwas Verdächtiges bemerkt zu haben und es daher für sicherer hielt, sofort das Quartier zu wechseln. Zwar gab es eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass ich am kommenden Samstag auf der Party wäre und mir folglich bis dahin nichts passieren würde – immerhin hatte ich mich im Spiegel gesehen –, aber das galt nicht für Sebastiano und José. Die beiden waren mir in der Vision nicht aufgefallen. Natürlich hatte ich längst nicht alle dort erschienenen Leute sehen können, dafür hatte die Zeit nicht gereicht. Doch es war nicht von der Hand zu weisen, dass ihnen bis Samstag noch etwas zustoßen konnte. Außerdem war zu berücksichtigen, dass das Zukunftsbild im Spiegel nicht unabänderlich feststand. Mit massiven Bemühungen konnte man dieses künftige Ereignis beeinflussen und so in den Zeitlauf eingreifen. Das war ja schließlich auch das Prinzip, auf dem die Arbeit von uns Zeitwächtern beruhte. Mit anderen Worten, Fitzjohn hatte garantiert noch ein paar Trümpfe in der Hand und würde weiterhin versuchen, meiner habhaft zu werden, um herauszufinden, welches Wissen ich ihm voraushatte. José war davon überzeugt, dass ich etwas in dem Spiegel bemerkt hatte, das in dem Bildausschnitt, der Fitzjohn zur Verfügung gestanden hatte, fehlte.
Wie auch immer – in den verbleibenden Tagen wechselten wir ständig die Unterkunft und brachen auch den Kontakt zu Mr Scott ab. Das tat mir außerordentlich leid, denn er hatte sich solche Mühe gegeben und war unseretwegen hohe Risiken eingegangen. Doch es war zu gefährlich für uns, mit ihm in Verbindung zu bleiben, denn das würde Fitzjohn nur Gelegenheit verschaffen, unsere Fährte aufzunehmen.
Und dann war der große Abend gekommen. Wir putzten uns für die Feier heraus – oder genauer: Ich putzte mich heraus, während José und Sebastiano sich mittels einer ausgefeilten und sorgsamen Prozedur in zwei scheinbar völlig fremde Menschen verwandelten. Danach sahen beide so aus, dass nicht einmal ich sie wiedererkannt hätte, auch nicht aus nächster Nähe. Als sie anschließend vor mir standen, war ich zutiefst erleichtert, denn nun wusste ich, dass sie Bestandteil der Szenerie waren, die ich im Spiegel beobachtet hatte. Genau wie ich würden sie auf der Feier in Carlton House anwesend sein, aber weil ihr wahres Äußeres so gut verborgen war, hatte ich sie in der Vision beim besten Willen nicht erkennen können.
Sicherheitshalber fuhren wir getrennt zu dem Event. Ich nahm eine Mietdroschke, Sebastiano und José stiegen in eine andere.
Sebastiano umarmte mich vorher fest. »Pass bloß gut auf dich auf!«
»Keine Sorge.« Ich deutete auf meinen Nacken. »Ich habe ja meinen persönlichen Feuermelder dabei.«
»Warte! Ich gebe dir noch was anderes. Vielleicht stärkt dir das auch ein bisschen den Rücken.« Er holte eine kleine, samtüberzogene Schachtel aus der oberen Kommodenschublade und reichte sie mir. »Hier. Vermutlich sollte ich dabei auf die Knie gehen, aber das würde mir die Verkleidung ruinieren, deshalb ausnahmsweise einfach so. Aber mit Liebe.«
»Oh.« Mit trockenem Mund öffnete ich die Schachtel. Darin befand sich ein schmaler Ring mit einem kleinen, jedoch wundervoll funkelnden Stein. »Das ist …« Ich stockte.
»Ein Ring«, warf José hilfreich ein. »Genauer gesagt, ein Verlobungsring.«
»Eigentlich wollte ich mit dir allein sein, wenn ich ihn dir gebe«, meinte Sebastiano. »Aber irgendwie bin ich die ganze Zeit nicht dazu gekommen.«
»Und vergiss nicht, dass ich ihn erst heute mitgebracht habe«, erklärte José. »Es ging also gar nicht eher. Ich hoffe, er trifft deinen Geschmack.«
»Er ist wunderschön.« In meiner Kehle steckte ein Kloß, der sich verdächtig nach Tränen anfühlte. »Ich … oh, Mist, jetzt muss ich heulen.« Und das tat ich dann auch, sogar ausgiebig. Zum Glück hatte ich auf Augen-Make-up verzichtet, denn das wäre dadurch unweigerlich zerflossen. Ich lag in Sebastianos Armen und schluchzte vor
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