Zeitenzauber: Das verborgene Tor. Band 3 (German Edition)
ist.« Der Translator machte daraus Ich möchte mich lediglich nach seinem Befinden erkundigen , was mir wegen der eleganten Übersetzung einen spontanen Kommentar entlockte. »Krass!« Was wiederum in ein Huch umgewandelt wurde.
Zum Glück stellte Jerry keine weiteren Fragen.
Als wir in der Harley Street ankamen, dämmerte es bereits, und es war auch Nebel aufgezogen, der die Straße in ein unheimlich waberndes Grau hüllte. Unterwegs hatten wir schon die ersten Laternenanzünder gesehen, die umständlich und mit langen Stangen eine Lampe nach der anderen ansteckten, doch das trübe Licht durchdrang kaum die dichten Schwaden. Nur entlang der großen Prachtstraßen gab es schon Gaslaternen, die zwar heller brannten als die Öllampen, aber trotzdem nur verschwommene Lichtflecke in der trüben Suppe bildeten.
Jerry blieb auf dem Kutschbock sitzen, während ich eilig zwischen den beiden tückisch grinsenden Sphinxen hindurch zur Pforte ging und den Türklopfer bediente – und gleich darauf noch einmal, diesmal etwas fester. Lange würde ich mich hier nicht aufhalten können, sonst schaffte ich es nicht rechtzeitig zum Dinner. Gerade wollte ich ein drittes Mal klopfen, da ging die Tür auf. Vor mir stand Mr Turners alter Vater. Er trug denselben Morgenmantel und dieselben überdimensionalen Pantoffeln wie neulich und starrte mich überrascht an.
»Will!«, rief er. »Komm schnell! Es ist das seltsame blonde Mädchen!«
Hinter ihm tauchte Mrs Thackerey auf, die Haushälterin.
»Sie sollen nicht einfach an die Tür gehen, Sir«, schimpfte sie. »In der Abendluft verkühlen Sie sich nur. Ihre Bronchien sind noch angegriffen von dem Rauch, das wissen Sie doch.«
Dann sah sie mich und riss die Augen auf. »Was um alles …« Sie hielt inne, dann rief sie über die Schulter: »Mr Turner! Es ist das blonde Mädchen!«
Ich kam mir vor wie in einem surrealistischen Film. Hinter mir der wallende Nebel, vor mir die von diffusem Kerzenlicht erleuchtete Halle, und in der offenen Tür, scharf umrissen wie bei einem Scherenschnitt, die Silhouetten von Mr Turner senior in seinen Riesenpantoffeln und der Haushälterin, die mich ansah, als wäre ich ein Alien. Dann kam der Mann die Treppe herunter, den ich besuchen wollte (oder genauer: im Auge behalten , was auch immer das bedeutete). Wenn irgend möglich, wurde die ganze Szenerie durch seinen Auftritt noch abstruser, denn in der einen Hand hielt er einen Pinsel, von dem noch die Farbe tropfte, und in dem anderen ein halbfertiges Bild. Es war nicht besonders groß und die Lichtverhältnisse waren nicht berauschend, aber die Person, die auf dem Gemälde abgebildet war, erkannte ich trotzdem – das war ich selbst.
Mr Turner starrte mich an wie eine Erscheinung. »Ich wusste, dass Sie wiederkommen, Miss Foscary.« Er wandte sich an seine Haushälterin. »Bitte bringen Sie für unseren Gast eine Tasse Tee in den Salon, Mrs Thackerey. Und schaffen Sie Vater zu Bett.«
Mrs Thackerey murmelte irgendetwas vor sich hin, von dem ich nur die Worte böses Omen und bestimmt eine Hexe verstand, doch sie verschwand, ohne Einwände zu erheben, und nahm den alten Mr Turner mit.
»Kommen Sie«, bat Mr Turner mich. Ich folgte ihm durch die Halle, in der es immer noch ein bisschen nach Rauch stank, obwohl man die angesengte Vertäfelung und die verrußten Tapeten schon abgerissen und alles für die Renovierung vorbereitet hatte; entlang der hohen Wände war ein Gerüst aufgebaut, und überall lag Handwerkszeug herum.
Mr Turner führte mich in die Bibliothek, die ähnlich aussah wie unsere (allmählich gewöhnte ich mir echte Allüren an, ich musste aufhören, mir das Palais am Grosvenor Square als unser Eigentum vorzustellen!), nur dass hier mehr Bilder hingen. Natürlich waren sie alle von Mr Turner gemalt.
Er stellte das frische Gemälde auf eine Staffelei und bat mich, Platz zu nehmen, doch ich war zu gebannt von dem Bild. Er hatte es in seinem charakteristischen Stil gemalt, also ein bisschen verschwommen und mit fließenden Umrissen, dennoch war mein Gesicht gut zu erkennen. Es war in Angst erstarrt. Die Augen hatte ich vor Schreck weit aufgerissen, die Hand zur Abwehr erhoben. Mir wurde unwillkürlich kalt bei dem Anblick. Es war, als würde ich in einen Spiegel blicken, der meine innersten Gefühle zeigte. Wahrscheinlich sah ich in diesem Moment genauso aus wie auf dem Bild.
Doch das war noch steigerungsfähig, denn gleich darauf bemerkte ich, dass das Bild auf der Staffelei
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