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Zeitenzauber: Das verborgene Tor. Band 3 (German Edition)

Zeitenzauber: Das verborgene Tor. Band 3 (German Edition)

Titel: Zeitenzauber: Das verborgene Tor. Band 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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nicht das einzige Porträt von mir in diesem Raum war. Es gab noch drei andere Stellagen, auf denen Bilder von mir standen, alle kaum trocken, und auf jedem einzelnen sah ich aus, als wäre ich auf der Flucht vor einem Killer. Auf dem letzten blickte ich über die Schulter zurück und hatte den Mund zu einem lautlosen Schrei aufgerissen.
    »Wie gefallen sie Ihnen?«, fragte Mr Turner mich erwartungsvoll.
    Ich schluckte. »Sie sind … äh … ungewöhnlich. Und gleich drei von dieser Sorte … Ich meine, warum haben Sie …« Ich stockte, weil ich keine Ahnung hatte, wie ich den Aufruhr, der in mir tobte, in Worte fassen sollte.
    »Warum ich Sie gemalt habe?« Mr Turner zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht, warum ich bestimmte Menschen oder Motive male. Ich muss es einfach tun. Die Bilder sind in meinem Kopf, und sie müssen heraus. Nicht nur einmal, sondern häufig. Denn sehen Sie, jedes Bild hat viele Gesichter, und alle erheben den Anspruch, gezeigt zu werden.«
    »Und Sie haben mich so gesehen?«, fragte ich beklommen. Dann kam mir ein Gedanke, der alles erklärte. »Sie haben mich bei dem Brand gesehen!«, sagte ich erleichtert. »Da hatte ich tatsächlich eine Riesenangst!«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, bei dem Brand sahen Sie nicht verängstigt aus, sondern entschlossen. Diese Porträts hier – das sind andere Bilder. Sie sind …« Er hüstelte und meinte entschuldigend: »Ich weiß, dass Ihnen das absurd erscheinen muss, aber ich sage es, wie es ist: Es sind Visionen.«
    »Visionen?«, gab ich mit leicht zitternder Stimme zurück.
    Er nickte. »Die Bilder tauchen vor meinem inneren Auge auf, und ich muss sie malen. Genauso wie dieses dort.« Er deutete auf ein Bild, das neben dem Kamin an der Wand hing. Von Kerzenlicht umflossen, strahlte es etwas Geheimnisvolles und zugleich Bedrohliches aus. Ich erkannte sofort, was auf dem Gemälde dargestellt war – der Steinkreis von Stonehenge. Aber das war nicht das Unheimliche daran, sondern die menschliche Gestalt, die dort zwischen den Steinen umherirrte und allem Anschein nach vor jemandem floh.
    »Ist das …«, brachte ich mühsam hervor.
    Mr Turner nickte. »Ja, das sind Sie. Ich nenne es Todesangst . Was halten Sie davon?«
    Ich hatte das Gefühl, mich irgendwo festhalten zu müssen. In diesem Augenblick kam Mrs Thackerey mit dem Tee. Sie musterte mich argwöhnisch, sagte aber nichts. Mr Turner rührte Zucker in seine Tasse und erklärte, selten eine so visionäre Schaffensperiode gehabt zu haben wie in den letzten Tagen.
    »Es ist wie eine Quelle der Kraft«, sagte er glücklich. »Bilder über Bilder strömen mir zu und wollen auf die Leinwand. Und das habe ich Ihnen zu verdanken, Miss Foscary. Ein weiterer Grund, warum ich Ihnen verpflichtet bin. Wie gern würde ich mich Ihnen erkenntlich zeigen.« Eifrig deutete er auf die drei Porträts. »Darf ich Ihnen eines davon schenken?«
    Noch vor wenigen Tagen hätte ich freudestrahlend so was gesagt wie »Das ist doch nicht nötig! Aber wenn Sie mich schon so fragen – gerne!«, doch jetzt hörte ich nicht mal richtig hin. Ich konnte die ganze Zeit bloß auf das Stonehenge-Bild starren.
    Mr Turner streckte mir eine Tasse hin. »Ihr Tee wird kalt.«
    »Danke.« Ich trank geistesabwesend ein paar Schlucke und merkte dabei kaum, dass er ohne Zucker nicht besonders schmeckte. In diesem Moment schlug die Standuhr in der Ecke zur vollen Stunde – es war schon acht!
    Hastig stellte ich die Tasse zurück aufs Tablett.
    »Ich muss gehen.«
    »Aber Sie kommen wieder, oder?« Mr Turner sah mich fragend an, dann nickte er. »Ja, ich weiß, dass Sie wiederkommen. Ich wusste es auch schon, ehe Sie heute herkamen. Sie sind Teil der Visionen, Anne. Ich darf Sie doch Anne nennen?«
    Ich nickte nur stumm. Er begleitete mich zur Haustür und blickte mir nach, als ich zur Kutsche eilte. Jerry öffnete mir den Schlag.
    »Wie geht es dem Maler? Hat er den Schreck nach dem Brand gut überstanden?«
    Wieder konnte ich bloß stumm nicken. Ich wollte nur noch weg.

    Während der Rückfahrt fing ich ernstlich an zu frieren. Ich hätte mich eindeutig wärmer anziehen müssen. Seit Einbruch der Dunkelheit war es merklich kühler geworden. Es zog von allen Seiten eiskalt herein, besonders von unten her. Ich hatte Jerry gebeten, die Pferde ein bisschen anzutreiben, weil ich spät dran war.
    Mr Fitzjohn machte sich Vorwürfe, als ich zurückkam.
    »Lieber Himmel, Sie sind völlig durchgefroren!« Er scheuchte seine Frau zur

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