Zeitenzauber: Das verborgene Tor. Band 3 (German Edition)
genau dort und nirgendwo anders hin. Sebastiano musste sich wohl oder übel uns gegenübersetzen, denn mit drei Leuten nebeneinander hätte die Tischordnung ziemlich blöd ausgesehen. Während des nachfolgenden Essens ließ Reginald keine Gelegenheit aus, mit mir zu flirten. Er platzierte seine Komplimente auf eine gekonnte, witzige Art, es war kein bisschen aufdringlich, und ab und zu streute er so lustige Bemerkungen ein, dass ich kichern musste. Natürlich stand ich nicht auf ihn, schließlich liebte ich Sebastiano auch nach über drei Jahren immer noch wie verrückt, aber es war trotzdem alles andere als unangenehm, von einem so gut aussehenden Mann mit netten kleinen Aufmerksamkeiten bedacht zu werden. Außerdem war es eine gute Ablenkung, nachdem Mr Turner mir mit seinen Bildern einen solchen Schreck eingejagt hatte.
Sebastianos Miene wurde unterdessen immer gewittriger, anscheinend störte ihn Reginalds freundliches Geplänkel ziemlich, doch er sagte nichts dazu.
Der Reihe nach wurden diverse Gerichte aufgetragen. Silberschüsseln, aus denen es dampfte, wenn bei Tisch der Deckel abgenommen wurde, große Servierplatten mit allen möglichen Hauptgerichten, verschiedene Zwischengänge, die in kleinen Glasschalen angerichtet waren – es war schon wieder viel zu viel. Die Köchin und ihre Hilfskräfte mussten stundenlang gerackert haben, um all diese Köstlichkeiten vorzubereiten. Es gab gespicktes Rinderfilet, gebackenen Schinken, getrüffelten Kalbsbraten und noch ein paar andere Fleischsorten, die ich mir nicht alle merken konnte, weil ich schon nach einer Portion satt war. Einige davon wurden in Aspik serviert, wabblige kleine Geleehäufchen, dir mir nicht ganz geheuer waren, genauso wenig wie der am Stück gebratene Hase oder die Wachteln. Wie schon beim Mittagessen hielt ich mich lieber an das gedünstete Gemüse und dachte dabei, wie viele hungrige Leute man in den Armenvierteln mit all diesem Essen hier hätte satt bekommen können.
Zu trinken gab es einen lieblich schmeckenden italienischen Rotwein, und diesmal ließ ich mir sogar nachschenken, denn er wärmte mich innerlich und half mir dabei, nicht dauernd an die Bilder in Mr Turners Bibliothek denken zu müssen.
Nach dem Essen erklärte Reginald, nun sei es Zeit für ihn, zu verschwinden. Zum Abschied küsste er mir formvollendet die Hand. »Bis morgen Abend, zauberhafte Anne!«
Sebastiano versteifte sich. »Du solltest meiner Schwester lieber nicht so oft die Hand küssen. Das ist sie nicht gewohnt.«
Reginald zog die Brauen zusammen, und für einen Moment schien es, als wollte er widersprechen, doch dann sagte er mit einem zerknirschten Lächeln: »Tut mir leid, alter Freund. Ich vergesse immer, dass dort draußen auf den Antillen wohl noch recht altertümliche Sitten herrschen.«
Vielleicht war es reumütig gemeint, aber in meinen Ohren klang es eher belustigt. Sebastiano setzte sein Pokerface auf und brachte ihn zur Haustür, während ich schon nach oben in das Herrenzimmer ging und dort auf ihn wartete. Als er kurz darauf zu mir kam, wirkte er noch ärgerlicher.
»Was ist los?«, fragte ich.
»Dieser gelackte Schönling hat mich gerade ganz offiziell darum gebeten, dir den Hof machen zu dürfen.«
Ich starrte ihn mit aufgeklapptem Mund an. »Ist nicht wahr!«
»Glaubst du, solchen Mist denke ich mir aus?«
»Was hast du ihm denn geantwortet? Hast du ihn rausgeworfen?«
Sebastiano schüttelte entnervt den Kopf. »Glaub mir, das hätte ich gern getan. Aber im Moment geht das nicht. Er ist so was wie ein Schlüssel zur Upperclass. Dieser Typ kennt alle wichtigen Leute hier in London. Du kannst dir nicht vorstellen, mit wem er alles per Du ist. Überall, wo wir heute waren, tanzte sofort eine Horde von diesen reichen Dandys an, um ihm die Hand zu schütteln. Innerhalb einer einzigen Stunde hat er mir schätzungsweise ein Dutzend Lords vorgestellt, einer wichtiger als der andere.« Seine Miene verdüsterte sich weiter, während er sich einen Sherry einschenkte. »Also habe ich die Zähne zusammengebissen und ihm gesagt, dass ich seine Absichten wohlwollend prüfen werde.«
»Hä?«
»Irgendwas musste ich ja sagen«, erklärte er gereizt. »Wobei ich natürlich erwarte, dass du dir den Kerl vom Hals hältst. Du kannst ihm ruhig sagen, dass du diese Handküsserei nicht brauchst. Und jetzt erzähl mir, wo du warst. Bei Turner?«
»Ja.« Ich merkte, wie meine Hände anfingen zu zittern. Sebastiano sah es ebenfalls und umfasste sie rasch.
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