Zeitenzauber: Das verborgene Tor. Band 3 (German Edition)
Seite und nahm mir selbst den Mantel ab, nachdem er mir die Haustür geöffnet hatte. »Ich hätte Sie darauf hinweisen müssen, dass für eine abendliche Ausfahrt eine warme Decke und ein heißer Ziegelstein für die Füße benötigt werden.«
»Es geht schon«, sagte ich mit klappernden Zähnen, doch ich war froh, dass ich gleich darauf in den Salon gehen konnte, wo ein prasselndes Kaminfeuer für Wärme sorgte. Sebastiano kam sofort auf mich zu und nahm meine Hände.
»Da bist du ja endlich!«
Ich tat so, als würde mir seine grimmige Miene nicht das Geringste ausmachen, denn es war noch ein Gast anwesend – Bräutigam-Ken. Er stand am Kamin und hielt ein Glas in der Hand. Mit seiner edel glänzenden Weste, dem burgunderroten Jackett und der sorgsam gebundenen Krawatte sah er wie der Inbegriff eines Jane-Austen-Helden aus.
»Ich habe mir schon Sorgen gemacht«, sagte Sebastiano. »Wo warst du so lange?«
»Ach, ich habe völlig die Zeit vergessen«, gab ich mit sonnigem Lächeln zurück. Bloß nichts anmerken lassen. Doch Sebastiano kannte mich zu gut, er merkte, wie verstört ich immer noch war. Er drückte meine Hände fester, dann strich er mir kurz über die Wange.
»Hattest du einen schönen Nachmittag?«, fragte er beiläufig.
»Ich war mit Iphigenia im Hyde Park, und anschließend habe ich mich noch ein wenig von Jerry in der Stadt herumkutschieren lassen. Du weißt doch, wie neugierig ich auf London bin. Alles ist so neu und aufregend … Leider wurde es dann doch sehr neblig, man hat kaum noch etwas gesehen.« Ich streckte Reginald die Hand hin und fuhr im Plauderton fort: »Cousin, wie schön, dich wiederzusehen. Wie war dein Tag mit meinem Bruder?«
»Sehr abwechslungsreich«, sagte Reginald. Zu meinem Erstaunen schüttelte er mir nicht die Hand, sondern hob sie an seine Lippen und hauchte einen Kuss darauf. »Wir waren bei White’s und später noch in Manton’s Schießhalle, wo ich Sebastian meine neuen Duellpistolen vorgeführt habe. Und danach haben wir uns bei Tattersall’s eine Versteigerung angesehen.«
»Eine Kunstauktion?«, fragte ich, leicht irritiert durch den unerwarteten Handkuss.
Reginald lachte. »Nein, bei Tattersall’s werden Pferde verkauft.«
Ich rang mir ein Lächeln ab. »Zu dumm, dass ich so wenig von den hiesigen Sitten weiß. Barbados ist wirklich sehr weit weg.«
»Sehr weit«, bestätigte Reginald vergnügt. »Umso mehr freut es mich, euch London zu zeigen.«
»Für morgen ist ein geselliger Ausflug nach Vauxhall Gardens geplant«, warf Sebastiano ein.
»Da kann ich leider nicht mit. Ich bin morgen Vormittag mit Iphy verabredet. Sie ist der Meinung, dass ich für Almack’s unbedingt ein neues Kleid brauche. Nächste Woche Mittwoch findet dort ein Ball statt.«
»Ich weiß, dafür habe ich mich auch schon angemeldet«, erklärte Reginald. »Aber natürlich kannst du trotzdem mit nach Vauxhall Gardens, denn dorthin gehen wir erst morgen Abend.« Reginald lächelte mit blitzenden Zähnen und sah dabei Bräutigam-Ken derartig ähnlich, dass ich blinzeln musste. Er bot mir seinen Arm an. »Wenn ich bitten darf, Cousinchen.«
»Um was denn?«, fragte ich verwirrt.
»Nur um deinen Arm.« Er zwinkerte mir zu. »Ich möchte dich stilvoll nach nebenan in den Speisesaal geleiten.«
»Ach, du bleibst zum Essen?«
»Ja, Sebastian war so freundlich, mich einzuladen. Ein einsamer Junggeselle wie ich ist dankbar für jede Gelegenheit, in netter Gesellschaft zu speisen.«
Ich hätte gewettet, dass es ihm an solchen Gelegenheiten nicht mangelte. Nicht bei seinem Aussehen und seinem Vermögen. Iphigenia hatte mir während unserer Spazierfahrt ausgiebig von seinen Finanzen, seinem prunkvollen Londoner Stadthaus und seinen tollen Pferden vorgeschwärmt. Er galt als ausgesprochen guter Fang, wie sie mehrmals betont hatte. Rein heiratstaktisch kam er auf der Liste der besten Partien gleich hinter George – und Sebastiano. Bei dieser Äußerung wäre ich fast aus der Kutsche gefallen, vor allem, als ich das kleine Glitzern in ihren Augen gesehen hatte. Dabei war mir nämlich wieder eingefallen, dass sie sich ebenfalls neu verheiraten wollte. Um ein Haar hätte ich mich verplappert und ihr erklärt, dass Sebastiano nicht zu haben war. Jedenfalls nicht, solange noch Blut in meinen Adern floss!
Reginald rückte mir den Stuhl zurecht und legte mir dabei leicht die Hand auf den Rücken. »Bitte sehr.«
Ich ließ mich nieder, und Reginald nahm neben mir Platz, als gehörte er
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