Zeitenzauber: Das verborgene Tor. Band 3 (German Edition)
der niedergemetzelten Menschen. Doch die in Bridgetown stationierten Soldaten machten kurzen Prozess mit den Rebellen, sie rückten mit Musketen und Bluthunden an und knüpften alle, die sie schnappten, an Ort und Stelle auf. Einigen Aufständischen gelang trotzdem die Flucht. Sie schlugen sich in die Berge durch und lebten dort in Höhlen.«
Der Prinzregent hatte mir mit großen Augen zugehört. Er bekam den Mund kaum noch zu. »Was für ein abwechslungsreiches Leben Sie dort auf den Antillen geführt haben müssen! Ist es denn später gelungen, diese Aufständischen zu fassen?«
»Ja«, sagte ich geistesabwesend. »Bis auf zwei, die blieben verschwunden. Ein Mann und eine Frau. Die Frau war die Sklavin eines grausamen Pflanzers, doch in Wahrheit war sie eine geraubte Prinzessin aus dem Kongo. Und der Mann war ein tapferer schwarzer Krieger vom Stamme der Yoruba, der sich in sie verliebt und deshalb den ganzen Aufstand angezettelt hatte. Es heißt, sie leben heute noch im Dschungel, aber manche behaupten auch, sie hätten ein Boot gestohlen und wären heim nach Afrika gesegelt.« Zum Teufel, wo steckte Sebastiano nur? Und Iphy war ebenfalls verschwunden. Auch Reggie sah ich nirgends, obwohl er vorhin noch in der Nähe der Musiker gestanden hatte. Bloß der Earl hielt sich noch im Ballsaal auf. Und zwar in nächster Nähe – er war höchstens fünf Meter von uns entfernt und starrte den Prinzregenten mit verengten Augen an. Auf seinem sonst so freundlichen Hamstergesicht stand blanke Mordlust.
»In einem Boot?«, fragte der Prinzregent zweifelnd.
»Na ja, es wird ein hochseetaugliches Boot gewesen sein. Kann natürlich auch sein, dass die beiden bei der Überfahrt Hilfe hatten.«
»Das ist ja abenteuerlich!«, rief der Prinzregent begeistert. »Warum war ich noch nie auf Barbados?«
»Keine Ahnung«, entgegnete ich wahrheitsgemäß.
»Mein jüngerer Bruder ist im Gegensatz zu mir ein weitgereister Mann. Freddy ist Seefahrer, wissen Sie.«
»Ich hörte davon«, murmelte ich höflich.
»Er war schon in aller Herren Länder. Leider weilt er bereits seit vielen Jahren in der Fremde. Hier weiß kaum noch jemand, wie er aussieht.« Er lachte gutmütig, und ich stellte fest, dass seine Zähne genauso künstlich waren wie seine Haare. »Sie müssen mich Prinny nennen«, befahl er unvermittelt. »Alle meine Freunde nennen mich so.«
»Gern, Euer Gna… äh, Prinny.«
Aus den Augenwinkeln bemerkte ich eine Bewegung. Es war der Earl, der sich spiralförmig um uns herumarbeitete und dabei näher kam, bis er schließlich einen großen Schritt machte und direkt vor dem Prinzregenten stehen blieb.
»Guten Abend, Prinny.« Seine Stimme klang gepresst.
»Clevely«, sagte der Prinzregent erstaunt. »Wo kommst du denn auf einmal her?«
»Wenn du erlaubst … Lady Anne … Tanz versprochen …«, brachte der Earl stotternd heraus.
Der Prinzregent tätschelte besitzergreifend meinen Arm. »Wie du siehst, unterhalte ich mich gerade sehr angeregt mit der jungen Dame. Sie weiß überaus interessante und lebhafte Dinge über ihre Heimat zu berichten, ich hatte schon lange nicht mehr eine solch abwechslungsreiche Konversation. Du kannst auch später noch mit ihr tanzen. Komm in einer Stunde wieder.« Er wandte sich mir zu. »Erwähnte ich schon, dass ich demnächst eine kleine Gesellschaft in Carlton House gebe? Sie müssen unbedingt kommen. Ich bestehe darauf.«
»Sehr gern!«, sagte ich schnell. »Ich komme ganz bestimmt! Und mein Bruder auch.«
»Ich freue mich. Eine offizielle Einladung geht Ihnen natürlich noch zu.« Der Prinzregent drückte warm meine Hand.
George blähte die Wangen auf und setzte zu einer Bemerkung an; so leicht gab er sich nicht geschlagen. »Also weißt du, Prinny, ich finde …«
Ich fuhr zusammen. Gerade hatte ich vor den offenen Flügeltüren des Ballsaals Reggie gesehen, und dieser Anblick löste unerklärlicherweise sämtliche Alarmsirenen bei mir aus. Hastig sprang ich auf.
»Ich muss mal kurz verschwinden«, teilte ich dem verblüfften Prinzregenten mit.
Sofort war George an meiner Seite und hielt mir seinen Arm hin. Dankbarkeit leuchtete aus seinen Augen.
»Gestatten Sie, dass ich Sie begleite, meine liebe Anne!«
»Oh, das ist nicht nötig, vielen Dank.«
»Aber ich …« Er lief neben mir her und versuchte, Schritt zu halten. »… muss Ihnen dringend sagen … Übermannt von meiner Zuneigung … Ihnen mein pochendes Herz zu Füßen legen … Bei Ihrem Bruder vorsprechen
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