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Zeitenzauber: Das verborgene Tor. Band 3 (German Edition)

Zeitenzauber: Das verborgene Tor. Band 3 (German Edition)

Titel: Zeitenzauber: Das verborgene Tor. Band 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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wirklich aus, und ich hörte seinen Widerhall wie ein Echo aus einer fernen Zeit.
    Dann nahm ich außer der Angst und dem Gefühl des Fallens noch etwas anderes wahr – eine tröstende Präsenz, die mir bekannt vorkam.
    »Verlier jetzt nur nicht die Nerven«, hörte ich José von irgendwoher sagen. »Und hör endlich auf, herumzukreischen, damit änderst du nämlich überhaupt nichts.«
    »Aber das hier ist echt !«, kreischte ich.
    »Natürlich ist es das.« Er tauchte neben mir auf, im Fallen begriffen wie ich, das faltige Gesicht mir zugewandt. Seine Kleidung flatterte im Luftzug, und auf seiner schwarzen Augenklappe saßen Eiskristalle. »Deshalb musst du dich jetzt konzentrieren, damit du rechtzeitig wieder hier rauskommst, denn du weißt, was dich unten erwartet.«
    O Gott. Der Jabberwocky.
    »Wie komme ich überhaupt hierher?«, schrie ich. Doch dann beantwortete ich mir die Frage in Gedanken lieber selbst, statt Zeit damit zu verschwenden, auf Josés Erklärungen zu warten. Die Maske hatte mich hergebracht. Oder genauer: mein Unterbewusstsein in Kombination mit der Maske. Es hatte einfach im Angesicht meines unmittelbar bevorstehenden Todes José als Rettungsanker eingestuft – wahrscheinlich deshalb, weil Reginald seinen Namen und gleichzeitig die Maske erwähnt hatte. Und weil keine Zeit mehr für irgendwelche anderweitigen Überlegungen geblieben war.
    Der Mahlstrom der Zeit begann an mir zu zerren. Während ich die ganze Zeit eher kreiselnd gefallen war, wie ein Herbstblatt im Sturm, wurde ich plötzlich schneller, etwas zog mich in die Tiefe. Kälte hüllte mich ein, auf meiner Haut gefroren eisige Partikel zu einem Panzer und lähmten meine Bewegungen.
    »Hilfe!«, brüllte ich.
    »Die Steine«, schrie José von irgendwo weit über mir. »Da ist das letzte Tor!«
    Aber seine Stimme verklang wie ein Flüstern im Orkan, ich rauschte dem Jabberwocky entgegen, gleich würde er mich mit seinem kalten, tödlichen Atem einsaugen, und mit mir alle Zeit, die noch übrig war. Bis auf das Jahr 1813, doch das war Lichtjahre entfernt, abgeschnitten vom Zeitstrom und außerhalb meiner Reichweite. Wenigstens Sebastiano war dort sicher, er hatte eine Chance, weiterzuleben. Vorausgesetzt, dass es in die Pläne desjenigen passte, der sich diesen Zeitraum als Bühne für seine Prinzen-Performance ausgesucht hatte.    
    Die Vorstellung, jemand könnte Sebastiano erneut nach dem Leben trachten – immerhin hatte vor einer Woche erst Bräutigam-Ken versucht, ihn umzubringen –, setzte ungeahnte Reserven bei mir frei. Wütendes Aufbegehren erfüllte mich, und ich versuchte, mich gegen die tödliche Kraft aus der Tiefe zu stemmen. Solange auch nur ein Atemzug in mir war, würde ich nicht zulassen, dass Sebastiano etwas geschah! Ich wollte zu ihm zurück!
    »Lass mich los!«, flüsterte ich. Vielleicht dachte ich es auch nur, denn meine Stimmbänder waren längst gefroren, genau wie meine Augen, meine Lippen und der ganze Rest von mir.
    »Anna! Es ist gut! Ich bin es doch nur! Es ist nur ein Traum!«
    Sebastianos Stimme drang wie durch dichten Nebel zu mir. Eine warme Hand streichelte mein Gesicht. Ich schlug benommen die Augen auf und stellte zweierlei fest: Sebastiano beugte sich über mich, und ich lag in seinem Bett. Dass es sein Bett war und nicht meins, erkannte ich an den Gemälden über dem Kamin. Sie stammten von Mr Turner. Eines davon war ein hübsches kleines Seestück, und eines ein Porträt von mir, auf dem ich nicht ganz so verängstigt aussah wie auf den anderen, die Mr Turner von mir gemalt hatte. Auf der kleinen Konsole neben dem Bett verbreitete eine Nachtleuchte ihr schummeriges Licht. Sebastiano ließ sie abends immer brennen, damit er, wenn er nachts mal rausmusste, nicht extra eine Lampe anzünden musste. Das fiel ihm wegen der Verletzung noch schwer.
    »Wo kommst du auf einmal her?«, fragte Sebastiano. »Und was hast du da für Sachen an? Himmel, du bist ja völlig durchgefroren! Warst du etwa draußen?«
    Ich war wieder im richtigen Leben. Die Maske hatte mich zurückgebracht.
    »Das willst du nicht wissen«, murmelte ich. Mit beiden Händen strich ich über meinen Körper, doch dort, wo eben noch eine dicke Eisschicht gewesen war – zumindest hatte es sich so angefühlt  –, ertastete ich nur normale, wenn auch etwas klamme Kleidung.
    »Wieso gehst du mitten in der Nacht aus dem Haus?«, wollte Sebastiano wissen. »Und erzähl mir ja nicht, du hättest bloß einen Spaziergang

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