Zeitenzauber: Das verborgene Tor. Band 3 (German Edition)
Sebastiano letzte Woche durchgemacht hatte, war das eine Bagatelle.
Es dauerte eine Weile, bis ich Reginalds Haus fand, obwohl Iphy es mir sehr gut beschrieben hatte. Natürlich hatte ich sie nicht direkt darüber ausgefragt, sondern ganz beiläufig (»Wer kümmert sich eigentlich jetzt um sein Haus, während er auf der Flucht ist? Und wo genau befindet sein Haus sich gleich noch mal?«). Sie hatte zwar einmal erwähnt, dass er in der Wimpole Street lebte, aber die war ziemlich lang.
Iphy hatte mir, mitteilsam wie sie war, umgehend das nötige Wissen verschafft. Und mir damit, ohne es zu wissen, zugleich den noch fehlenden Anstoß gegeben, mein Vorhaben so schnell wie möglich in die Tat umzusetzen, denn besser als im Moment konnten die Voraussetzungen gar nicht sein.
»Ich hörte, er hat alle Diener entlassen. Das Haus steht also jetzt völlig leer. Wahrhaftig ein Jammer, denn es ist so schön! Ein prachtvolles Gebäude mit griechischen Pilastern und einem richtigen kleinen Renaissanceturm.«
Ich musste ein gutes Stück laufen, und mein Fuß schmerzte immer heftiger, aber schließlich entdeckte ich im matten Licht einer Laterne doch noch das Haus mit besagtem Turm. Es war wirklich ein schönes Anwesen. Wer immer Reginalds Mentor war – er hatte nicht gespart, genauso wenig wie José bei uns.
José … Wo er wohl jetzt steckte? Ob er eine Vorstellung davon hatte, was in der Zwischenzeit alles geschehen war? Sebastiano war trotz seiner Verletzung immer noch zuversichtlich, er beharrte darauf, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis der Alte wieder auftauchte, doch ich war nicht annähernd so überzeugt davon wie er.
Vielleicht kehrte meine Zuversicht zurück, wenn ich die Maske wieder in Händen hatte. Und genau deshalb war ich in dieser Nacht hier – ich setzte meine ganze Hoffnung darauf, dass Reginald die Maske in seinem Haus versteckt hatte. Doch als ich nun direkt davorstand und es im Licht der gelblich leuchtenden Straßenlaterne betrachtete, sank mir ein wenig der Mut. Woher wollte ich wissen, dass er die Maske nicht einfach mitgenommen hatte? Die banale Antwort lautete: Ich hatte das Gefühl , dass sie hier war. Genauer hätte ich es nicht beschreiben können. Und das musste reichen. Jedenfalls war es genug, um den Versuch zu wagen, sie mir zurückzuholen.
Bloß war das Haus in meiner Vorstellung nicht ganz so riesig gewesen. Es war wirklich gewaltig, bestimmt so groß wie unser Haus am Grosvenor Square. Theoretisch konnte ich, wenn Reginald die Maske gut versteckt hatte, wochenlang danach suchen, ohne sie zu finden.
Ich atmete durch und beschloss, mir darüber jetzt keine Gedanken zu machen, denn sonst hätte ich es gleich bleiben lassen können. Stattdessen befasste ich mich mit der Frage, wie ich in das Haus hineinkam. Logischerweise versuchte ich es erst mal vom Garten aus.
Zu meiner Erleichterung entdeckte ich auf der Rückseite des Gebäudes an einer Terrassentür recht schnell einen Fensterladen, der sich ganz leicht aufklappen ließ. Ebenso problemlos gelangte ich anschließend ins Haus: Ich zog meine Jacke aus, wickelte sie um meinen Arm und schlug mit dem Ellbogen die Scheibe ein. Das Glas zerbrach beinahe geräuschlos und vor allem sofort – die Erfindung von Sicherheitsglas lag noch weit in der Zukunft; die dünnen Scheiben dieser Epoche hielten nicht viel aus. Nach kurzem Gefummel fand ich den Türgriff und legte ihn um. Damit stand einem nächtlichen Einbruch nichts mehr im Wege. Ich hielt die kleine Laterne, die ich extra zu diesem Zweck mitgebracht hatte, in die Höhe und achtete darauf, nicht schon wieder auf Scherben zu treten, als ich den dunklen Raum betrat.
Ich befand mich in einem für diese Epoche typischen Arbeitszimmer. Volle Bücherschränke mit Bleiglastüren, ein schwerer Mahagonischreibtisch, ein Globus, Landkarten an den Wänden, ein massiver, gemauerter Kamin mit einer runden Messinguhr auf dem Marmorsims – alles sah ganz ähnlich aus wie in unserem Haus am Grosvenor Square. Anscheinend waren solche Bibliotheken bei reichen Leuten im Regency ein Must-have.
Ich stellte die Lampe auf dem Schreibtisch ab und fing sofort an zu suchen, der Einfachheit halber als Erstes in den Schubladen. Ich zog sie der Reihe nach auf und stieß auf die klassischen Utensilien – Papier mit aufgedrucktem Wappen und Monogramm (sehr angeberisch und in Großbuchstaben: R. C. für Reginald Castlethorpe), eine Stange Siegelwachs, feine Büttenumschläge, eine Dose Löschsand,
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