Zeitenzauber: Das verborgene Tor. Band 3 (German Edition)
wüsste, wären wir definitiv einen Schritt weiter.«
Nachdenklich drehte ich die Katzenmaske in den Händen und betastete den weichen Stoff. Sie fühlte sich so harmlos an und sah noch harmloser aus. Wie eine ganz normale, jetzt leicht zerknitterte Karnevalsmaske aus Samt, mit hübscher Goldstickerei, feinen Fransen und verstärkten Rändern. Und doch wohnten ihr unermessliche Kräfte inne. Ich hatte immer schon wissen wollen, warum ausgerechnet ich die Maske bekommen hatte, genauso wie die Gabe, drohende Gefahren zu erkennen. Einmal, zu Beginn meiner Tätigkeit als Zeitwächterin, hatte ich Sebastiano gefragt, welche Rolle ich in dem ganzen Spiel innehatte. Er hatte mit der Antwort kurz gezögert und dann gemeint, vielleicht sei ich so eine Art Joker.
Jedenfalls kannten wir sonst niemanden mit diesem komischen Nackenjucken (abgesehen davon, dass es bei mir momentan nicht funktionierte). Und was die Maske betraf – ich kannte nur eine Person, die ebenfalls eine erhalten hatte, ein Mädchen namens Clarissa, das ich im Jahr 1499 kennengelernt hatte. Genaueres hatte sie mir jedoch nicht darüber erzählt, ich wusste nur, dass sie einen wichtigen Auftrag versiebt und sich deshalb der Maske nicht als würdig erwiesen hatte, weshalb sie viele Jahre im fünfzehnten Jahrhundert festgesessen hatte. Am Ende hatte sie mir das Leben gerettet und damit doch noch eine Chance bekommen, wieder in ihre Zeit zurückzukehren – das Jahr 1793. Aber dann hatte sie es vorgezogen, im Jahr 1499 zu bleiben, weil sie sich in den dortigen Boten verliebt hatte. Ich hatte danach nie wieder etwas von ihr gehört, hoffte aber, dass die beiden zusammen glücklich geworden waren.
Ich merkte, wie ich mich in Erinnerungen verlor und zwang mich zur Konzentration. Wieso hatte Reginald gewollt, dass ich springe?
»Ich könnte mir vorstellen, dass er einfach nur sehen wollte, ob die Maske funktioniert«, meinte Sebastiano, als hätte er gerade meine Gedanken gelesen. »Denkbar wäre es. Neben ein paar anderen Möglichkeiten, über die ich noch genauer nachdenken muss. Im Moment kommt mir das Ganze noch wie ein ziemliches Durcheinander vor.«
Er hatte recht. Es war alles so verworren! Bedrückt blickte ich in die bläulich flackernde Flamme der kleinen Nachtlaterne. Auch wenn die ganze Sache mit dem Jabberwocky und José im Zeitstrom nur ein grässlicher Albtraum gewesen war (was ich inständig hoffte!) – meine Angst fühlte sich trotzdem sehr real an.
»Was sollen wir jetzt bloß machen?«, fragte ich mutlos. »Irgendwie muss es doch weitergehen!«
»Auf jeden Fall tust du nichts mehr ohne mich.« Sebastiano bewegte die verletzte Schulter und stöhnte leise. »Himmel noch mal, wenn ich nur erst wieder den Arm richtig gebrauchen könnte! Wie gern würde ich mir diesen Mistkerl kaufen! Vielleicht sollte ich ihm morgen mal einen kleinen Besuch abstatten. Nur für den Fall, dass er dann immer noch dort ist.«
»Das kannst du sofort vergessen. Du musst dich schonen. Der Arzt hat gesagt, dass du noch mindestens zwei Wochen jede Anstrengung vermeiden musst.«
»Jede?« Er sah mich an. In seinen Augen stand ein kleines Funkeln. »Was hältst du davon, wenn du dieses Zeug ausziehst und die Tür abschließt?«
»Ich weiß nicht … Du hast doch Schmerzen!«
»Ein Italiener kennt keinen Schmerz.«
»Waren das nicht die Indianer?«
» Piccina , ich habe eine ganze Woche lang allein geschlafen und fühle mich schrecklich einsam.«
Das konnte ich gut nachvollziehen. Ich selber fühlte mich auch schrecklich einsam. Und seinem Latin-Lover-Tonfall hatte ich noch nie widerstehen können. »Na gut. Aber nur kuscheln.«
Im Traum hatte ich eine seltsame Vision. Ich stand vor einem Gemälde von Mr Turner, das den Steinkreis von Stonehenge zeigte. Stumm und dunkel ragten die hohen Felsen in der Nacht auf, doch mit einem Mal schien sich zwischen ihnen etwas zu bewegen. Als ich genauer hinschaute, konnte ich erkennen, dass es eine menschliche Gestalt war. Sie rannte auf den Steinkreis zu.
Seltsam, dachte ich. Es ist doch nur ein Bild. Wie kann sich die Gestalt darin fortbewegen? Aber das war nicht alles, denn als die Gestalt näher kam und deutlicher wurde, sah ich ihr Gesicht. Es war mein eigenes! Und ich rannte nicht nur, sondern sprintete. Und dabei blickte ich immer wieder über die Schulter zurück, als würde ich verfolgt. Unwillkürlich schaute ich auch in meinem Traum hinter mich, doch dort war nur diffuse Dunkelheit. Trotzdem hatte ich das
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