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Zeitenzauber: Das verborgene Tor. Band 3 (German Edition)

Zeitenzauber: Das verborgene Tor. Band 3 (German Edition)

Titel: Zeitenzauber: Das verborgene Tor. Band 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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sah nicht übel aus, wenn man sich sein aufgeblasenes Getue mal wegdachte. Abgesehen von dem Schnurrbart, der ging gar nicht – eine an beiden Seiten hochgezwirbelte und mit Haarwachs fixierte Scheußlichkeit. Aber in dieser Epoche standen die Leute ja auf so was. Und seine Zähne machten auch einen guten Eindruck, sie waren weiß und gepflegt. Außerdem hatte er schöne Hände, mit sauber geschnittenen Nägeln und elegant geformten Fingern, die mit traumwandlerischer Sicherheit jeden noch so kleinen Fussel auf Sebastianos Samthosen aufspürten und entfernten.
    Meeks bemerkte, dass ich mir seine Hände ansah und betrachtete sie selbst einen Augenblick lang irritiert, bevor er sie hinter dem Rücken verschränkte. »Kann ich Mylady noch mit irgendetwas dienen?«
    »Oh, nein, es ist alles in Ordnung, und ich bin auch schon so gut wie weg.« Damit ließ ich ihn stehen und ging zur Treppe. Als ich kurz zurückblickte, sah ich, dass er mir mit gerunzelter Stirn nachschaute.

    Meine Erleichterung darüber, dass ich die größten Probleme vor meiner Abreise so elegant gelöst hatte, verflüchtigte sich bald, denn Jerry tauchte nicht auf. Ich wartete eine Weile vor dem Haus, dann ging ich wieder hinein und sah beunruhigt auf die Standuhr in der Halle. Es war Viertel nach zwei. Jerry hatte um Punkt zwei mit der Reisekutsche vorfahren sollen.
    »Kann ich Mylady behilflich sein?« Wie ein geräuschloser, grau-weiß gestreifter Schatten stand Mr Fitzjohn im Hintergrund und blickte mich höflich fragend an. Ich umfasste mit beiden Händen fest die Henkel meiner kleinen Reisetasche. Aus irgendwelchen Gründen verspürte ich das Bedürfnis, mich ihm anzuvertrauen und ihm zu erklären, warum ich nach Amesbury fahren wollte, doch natürlich ging ihn das überhaupt nichts an.
    »Jerry wollte mich um zwei abholen«, informierte ich ihn. »Ob Sie vielleicht Cedric rasch hinüber zur Remise schicken können, damit er nachsieht, wo Jerry bleibt?«
    »Gewiss.«
    Danach wartete ich ungeduldig weitere zehn Minuten, bis Cedric verschwitzt vom schnellen Laufen zurückkehrte und sich atemlos vor mir verneigte.
    »Jerry ist weg.«
    »Wieso weg?«
    »Na, er ist nicht da. Jacko sagt, Jerry ist verschwunden.«
    »Er kann doch nicht einfach so verschwinden!«
    »Hat Jacko aber gesagt.«
    »Was genau hat Jacko denn gesagt?«, mischte Mr Fitzjohn sich mit strengem Tonfall ein.
    Cedric verneigte sich abermals. »Sir, er sagte, dass ein Laufbursche Jerry eine Botschaft überbrachte, woraufhin Jerry ohne ein Wort abhaute und nicht mehr zurückkehrte.«
    »Das muss eine ernste Nachricht gewesen sein«, befand Mr Fitzjohn. »Es sieht Jerry nicht ähnlich, sich einfach vom Dienst zu entfernen, ohne jemandem Bescheid zu geben.«
    Das sah ich ganz genauso und erging mich bereits in den wildesten Spekulationen. »Jacko soll mit dem Einspänner vorfahren und mich zum Buchhändler Mr Scott bringen«, ordnete ich an. Cedric verneigte sich ein drittes Mal und drückte sich die Kappe aufs Haar, bevor er im Laufschritt zurück zu den Ställen eilte.
    »Wenn Sie meine Hilfe benötigen, Mylady – bitte zögern Sie nicht, mir Ihre Wünsche mitzuteilen«, bat Mr Fitzjohn, während er mich aufmerksam und ein wenig besorgt betrachtete.
    Ich nickte nur stumm und wartete voller Unruhe, bis Jacko endlich vorgefahren kam. Er musste mir noch einmal genau erzählen, wie sich die Überbringung der Botschaft an Jerry zugetragen hatte, doch dabei erfuhr ich nur das, was Cedric schon berichtet hatte.
    »Nein, Jerry hat wirklich nichts gesagt«, erklärte Jacko mir. »Kein Wort, so wahr ich hier stehe. Er ist einfach auf und davon.«
    Die ominöse Botschaft hatte Jacko nicht gesehen, ganz abgesehen davon, dass er überhaupt nicht lesen konnte. Und nein, den Laufburschen kannte er auch nicht, das war bloß ein Junge von der Penny Post gewesen, wie sie scharenweise in der Stadt unterwegs waren.
    Jacko entblößte seinen zahnlosen Kiefer zu einem zuvorkommenden Lächeln und half mir in die Kutsche. Bevor er den Schlag zuwarf und den Kutschbock erklomm, erkundigte er sich leutselig, ob mit meinem und Miss Bridgets Befinden alles zum Besten stehe. Geistesabwesend murmelte ich irgendeine Antwort, mit der er sich zufriedengeben musste. Während der Fahrt in die Bond Street kreisten meine Gedanken ununterbrochen um die bohrende Frage, was mit Jerry los war.
    Beim Betreten des Ladens kam Mr Scott mir entgegengehinkt. Er war blasser als sonst, und sein Gesicht wirkte leicht verzerrt.

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