Zeitenzauber - Die goldene Brücke: Band 2 (German Edition)
an. »Aber eines Tages kriege ich es raus.«
Tag zehn
Z
wei Tage später lagen Sebastiano und ich im größten Hotelbett, das ich je gesehen hatte. Genau wie das Zimmer war es von königlichen Ausmaßen. Wenn Ludwig der Vierzehnte heute gelebt und im Schloss von Versailles zufällig gerade die Handwerker gehabt hätte, wäre er garantiert hier in diesem Hotel abgestiegen – dem Mandarin Oriental im Herzen von Paris. Nachdem wir mit José ein längeres Grundsatzgespräch über Spesen und Gefahrenzulagen geführt hatten, hatte er uns drei Tage Fünfsterne-Luxus spendiert.
»Aber das ist die absolute Ausnahme«, hatte er erklärt.
Das Hotel war wie vom anderen Stern, mit Suiten, die bis zu zwanzigtausend Euro kosteten. Pro Nacht.
Unser Zimmer war nicht annähernd so teuer, doch José hatte trotzdem eine Menge dafür springen lassen, zumal Frühstück und andere Extras nicht mal inklusive waren. Für eine Fußmassage im hoteleigenen Spa durfte man beispielsweise schlappe hundertfünfzig Euro hinblättern. Sebastiano meinte, da müsste dann aber wenigstens ein Kaltgetränk dabei sein, was bei mir einen Lachanfall hervorrief.
Ich lachte viel seit unserer Rückkehr, weil ich so glücklich war, dass wir alles heil überstanden hatten. Oder zumindest halbwegs heil. Sebastianos Schulter war bandagiert, er würde den Arm eine Weile in der Schlinge tragen müssen, und beim An-und Ausziehen brauchte er noch Hilfe. Aber die Verletzung war nicht so schlimm, wie ich anfangs befürchtet hatte. Die Kugel, eine verformte kleine Scheußlichkeit aus Blei, hatten wir aufgehoben. Dem ungläubig dreinschauenden Notarzt in der Ambulanz hatte Sebastiano erzählt, er sei aus Versehen an den Abzug einer alten Duellpistole geraten, die zufällig noch geladen gewesen war. Da ich das mit meiner besten Unschuldsmiene bestätigte, verzichtete der Arzt darauf, die Gendarmerie anzurufen, zumal kurz darauf seine Schicht endete.
Jetzt war Sebastiano erst mal dienstunfähig, mit anderen Worten, er hatte frei und konnte ausspannen. Für mich galt dasselbe, denn ich hatte mir kurzerhand ein paar schulfreie Tage verordnet. Die Abiklausuren waren schließlich vorbei. Vor dem Mündlichen standen zwar noch Arbeiten an, aber bis dahin war noch etwas Luft. Und meinen Eltern machte es nichts aus, dass ich länger wegblieb, im Gegenteil – wie sich herausstellte, hatten sie an ihren Kopenhagen-Aufenthalt ebenfalls noch einen Kurzurlaub drangehängt.
José war gleich nach unserer Rückkehr aufgebrochen, zu einem anderen Ort, in eine andere Zeit. Sebastiano und ich waren also ganz für uns. Meist blieben wir auf dem Zimmer, denn wir waren beide erledigt, nicht nur emotional, sondern auch körperlich. Ihm tat die Schulter weh, mir die Beule am Kopf. Im Laufe des zweiten Tages wurde es allmählich besser. Wir spazierten durch das frühlingshafte Paris, besichtigten den Eiffelturm und ein paar andere Sehenswürdigkeiten, und natürlich redeten wir die ganze Zeit. Ich plagte mich mit Schuldgefühlen herum, weil ich der Meinung war, zu viele Fehler gemacht zu haben, doch Sebastiano behauptete, das Gegenteil sei der Fall, denn nur, weil ich alles genau so gemacht hätte und nicht anders, hätte es am Ende so ausgehen können.
Die Diskussion wurde ziemlich philosophisch, bis hin zu dem von mir gefürchteten komplexen Feld der Paradoxa , und da musste ich dann passen. Schließlich entschieden wir gemeinsam, die Vergangenheit erst mal ruhen zu lassen. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Doch das ließ sich schlecht einhalten. Ich hing ständig bei Wikipedia und auf Geschichtsseiten herum und suchte nach historischen Persönlichkeiten. Ludwig der Dreizehnte, Anne d’Autriche und Richelieu waren im Internet wieder präsent, unsere Korrektur der Zeitabweichung hatte funktioniert. Außerdem stieß ich auf einige bemerkenswerte Details, bei denen ich mir die Augen reiben musste, um sie zu glauben.
Bouteville beispielsweise – er war wegen seiner zahlreichen Duelle ein Jahr nach den Ereignissen hingerichtet worden.
Und in einem Aufsatz über die Geschichte des französischen Theaters fand ich Céciles Namen! In erster Ehe mit einem Jongleur und in zweiter mit einem Parfümhändler verheiratet, wurde sie im Jahr 1625 wegen Betrugs zu einem halben Jahr Kerkerhaft verurteilt. In dieser Zeit verstarb ihr zweiter Mann. Nach ihrer Freilassung setzte sie mit wachsendem Erfolg ihr Bühnenengagement fort. Ihr dritter Ehemann, von Beruf Schneider, hat als Kostümbildner in der
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