Zeitenzauber - Die goldene Brücke: Band 2 (German Edition)
Veilchen, schlimmer als jeder Lufterfrischer. Aber das war nichts gegen diesen geschniegelten Typen. Den umwehte eine Duftwolke, dass man davon ohnmächtig werden konnte. Obwohl ich geschworen hätte, dass ich das Brot und den Wein von letzter Nacht längst verdaut hatte, merkte ich, wie es mir hochkam. Ich wich ein paar Schritte zurück – und wäre fast von einem vorbeirumpelnden Fuhrwerk überfahren worden. Der Kutscher fluchte ausgiebig und zügelte seinen Gaul, und ich wich noch weiter zurück, bis zur anderen Straßenseite. Philippe merkte nichts davon, er hatte angefangen, mit dem grüngoldenen Typen zu streiten. Ein paar Gesprächsfetzen schnappte ich trotz des Lärms auf.
»… perverser Widerling!«, schrie er den Ladenbesitzer an.
»Das geht Euch nicht das Geringste an!«, hörte ich den Parfümeur ausrufen. »Und nein, ich werde mich nicht mit Euch duellieren! Und wenn Ihr mich noch so sehr mit Beleidigungen traktiert!«
Wegen der ratternden Räder des Fuhrwerks konnte ich Philipps Erwiderung nur zum Teil verstehen, doch das reichte völlig, um seine Einstellung klarzumachen.
»… aufschlitzen und Eure Eingeweide den Ratten zum Fraß vorwerfen, Ihr erbärmlicher Feigling!«
Das Fuhrwerk rumpelte weiter, und aus einem der benachbarten Läden – einer kleinen Manufaktur, die vergoldete Bilderrahmen feilbot – kamen zwei elegant gekleidete Frauen, die mich noch weiter an den Straßenrand drängten. Sie stolzierten dicht an mir vorbei und benahmen sich, als gehörte ihnen der ganze Pont Notre-Dame. Die eine drückte mich mit einem beiläufigen Bodycheck gegen eine Hauswand. Ich wollte gerade protestieren, als ich aus dem Augenwinkel etwas bemerkte, das mich irritierte. Zögernd drehte ich mich zu dem Laden um, vor dem ich stand. Auf der aufgeklappten Verkaufstheke waren fransige Seidenschals, bestickte Tücher und aufgerollte Spitzenbordüren ausgelegt. In einer offenen Schachtel befand sich eine Auswahl verschiedener Knöpfe – aus Glas, Horn, Holz, Elfenbein, flach gehämmertem Silber … unerklärlicherweise breitete sich das Gefühl in mir aus, diesen Laden irgendwoher zu kennen. Fast so, als wäre ich schon mal hier gewesen. Aber dieser Eindruck wurde nicht von den Knöpfen verursacht, wie mir gleich darauf klar wurde, sondern von der Ware, die schräg hinter der Theke drinnen an der Wand drapiert war: Masken.
Ein, zwei Sekunden starrte ich die Masken verwirrt an. Es schien, als wäre ich plötzlich an einen anderen Ort und in eine andere Zeit versetzt worden, obwohl ich im Hintergrund immer noch Philippe mit dem Parfümhändler streiten hörte. Doch das Gezeter und den Straßenlärm nahm ich nur am Rande wahr. Die Masken beanspruchten meine gesamte Aufmerksamkeit. Es gab sie in allen möglichen Variationen: bunt bemalt oder einfarbig, als Halbmaske oder das ganze Gesicht bedeckend, goldbestickt oder mit aufgesetztem Schnabel, verziert mit Schmucksteinen oder Fransen, Federn oder Perlen. Lauter Masken, wie man sie im Venezianischen Karneval trug. Und vermutlich auch auf Pariser Bällen im siebzehnten Jahrhundert, denn sonst hätte man sie ja nicht hier kaufen können.
Die Ladentür neben der Klapptheke stand offen, und meine Füße bewegten sich wie von allein in das Geschäft hinein. Drinnen empfing mich der sanfte, leicht staubige Geruch getrockneter Blüten, die man in früheren Jahrhunderten – beispielsweise in diesem – in zusammengerollte Stoffballen gelegt hatte, damit die Textilien angenehm dufteten. Hier war es ein Potpourri aus Lavendel und Rosenblättern.
Der Laden führte nicht nur Masken und Stoffe, sondern auch Kleidung und Accessoires. Es gab schlichte Gewänder und allerlei Plunder und Trödelkram, aber auch vornehme Sachen. An unterschiedlichen Ständern hingen Umhänge aus fließendem Samt mit goldgeprägten Borten, tief ausgeschnittene Seidenkleider mit weit ausgestellten Röcken und lange Handschuhe aus feinstem Leder. In einem Regal waren traumhafte Schuhe aufgereiht, bestickte Raritäten mit Silberschnallen und lackierten Absätzen. Vanessa wäre bei ihrem Anblick in Tränen ausgebrochen.
Doch für all diese Kostbarkeiten hatte ich nur ein paar flüchtige Blicke, bevor ich mich wie magisch angezogen wieder den Masken zuwandte. Eine davon sah aus wie … nein, das war unmöglich. Absolut ausgeschlossen.
Dann ertönte die kratzige Stimme einer uralten Frau neben mir.
»Die Katze«, sagte Esperanza. Genau wie damals.
Ich zuckte nicht mal zusammen, denn anscheinend
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