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Zeitenzauber - Die goldene Brücke: Band 2 (German Edition)

Zeitenzauber - Die goldene Brücke: Band 2 (German Edition)

Titel: Zeitenzauber - Die goldene Brücke: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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kurze Bewegung als Nicken.
    Von den Schuhen, die überall herumlagen, konnte sie sicher ein Paar entbehren. Leider waren sie alle viel zu groß für meine Füße, da reichte ein einziger Blick. Trotzdem waren große Schuhe besser als gar keine. Ich suchte mir nach kurzem Probieren ein Paar Ledersandalen heraus, die man mit Bändern verschnüren konnte, so hielten sie wenigstens an den Füßen, auch wenn die Sohle vorn drei Fingerbreit unter meinen Zehen hervorragte. Anziehen musste ich mich praktischerweise nicht, denn ich hatte mich in der Nacht gar nicht erst ausgezogen. Das sackartige Gewand war aus so grobem Stoff, dass ein paar zusätzliche Knitter und Flecke überhaupt nicht auffielen.
    Jetzt noch schnell ein bisschen frisch machen.
    Ich ging eilig auf den Topf, dann nahm ich einen Kamm von Céciles Schminktisch – und fuhr bei meinem Anblick im Spiegel erschrocken zurück. Ich sah grauenhaft aus. Bleich, hohläugig, zottelig – die Mutter aller Zombies. Beim Kämmen riss ich mir Mengen von Haaren aus, überall waren Knoten. Damit die lange Mähne nicht wieder so durcheinandergeraten konnte, flocht ich mir einen festen Zopf und band ihn mit einem der Seidenbänder zusammen, die auf dem Boden herumlagen. Damit sah ich schon wieder halbwegs passabel aus. Auf dem Wandbord stand eine Waschschüssel, aber das Wasser darin sah benutzt aus, und der dazugehörige Krug war leer. Egal, zum Händewaschen taugte es auf alle Fälle. Dann ein Sprühstoß aus einem der Parfümflakons vom Schminktisch (es roch durchdringend nach Veilchen), zweimal kräftig in die Wangen gekniffen – das musste reichen. Zähneputzen musste ich vertagen, auch wenn es schwerfiel. Vielleicht konnte mir Philippe unterwegs einen Schluck Wasser besorgen. Kaffee hatten sie hier nicht, das würde noch ein paar Jahrzehnte dauern – was ich auch nur zufällig deshalb wusste, weil es die ersten Kaffeehäuser in Venedig geben würde. Bis zur Verbreitung von Tee und Kakao war es ebenfalls noch eine ganze Weile hin.
    »Wiedersehen«, sagte ich zu Cécile. »Und vielen Dank für alles. Die Schuhe gebe ich Philippe, der kann sie dir später zurückbringen.«
    Es kam keine Reaktion, sie schlief wie ein Stein.
    Verkatert und übernächtigt verließ ich Céciles Zimmer. Die Haustür stand sperrangelweit offen, draußen auf der Gasse spielten fröhlich kreischende Kinder. Sie jagten ein gackerndes Huhn umher, das aufgeregt mit den Flügeln flatterte. Jetzt wusste ich auch, warum ich vor dem Aufwachen von Ferien auf dem Bauernhof geträumt hatte. Der Lärm verdoppelte das Hämmern in meinem Kopf. Das grelle Tageslicht brannte mir derart in den Augen, dass ich erst ein paar Mal blinzeln musste, bis ich mich daran gewöhnt hatte.
    Philippe wartete vor dem Haus, die geborgte Nachtleuchte in der Hand. Er hatte sie treu und brav wieder mitgebracht. Ich bot ihm an, sie schnell zu Cécile reinzubringen, was er dankend annahm. Dafür durfte ich hinterher ein paar kräftige Schlucke Wasser aus der Feldflasche nehmen, die er an seinem Gürtel trug. Danach kam mir das Geschrei der Kinder nicht mehr ganz so durchdringend vor, und auch das Sonnenlicht war besser zu ertragen. Aber es war ziemlich warm, ich fing bereits an zu schwitzen. Aufgebrochen war ich im März, angekommen im Sommer. Schon am frühen Morgen herrschte brütende Hitze, Grund genug, dass wir uns zügig auf den Weg machten.
    »Meinetwegen können wir los«, sagte ich.
    Bei Tageslicht hatte ich nun Gelegenheit, die Umgebung genauer zu betrachten. Cécile lebte in einem vierstöckigen Mietshaus mit einer schäbigen Fassade, und die Straße, in der es sich befand, sah auch nicht sonderlich anheimelnd aus. Philippe nannte mir den Namen – Rue Percée –, damit ich das Haus wiederfand, falls ich noch mal hierher zurückmüsste. Was ich allerdings für ausgeschlossen hielt, schon deswegen, weil ich keine Lust hatte, noch einmal auf dem Fußboden zu schlafen. Bestimmt hatte Sebastiano eine bessere Bleibe. Dort würden wir gemeinsam die Zeit bis zur Rückreise zubringen, und falls ihn eine besondere Aufgabe, die er in dieser Zeit zu erfüllen hatte, an einer Rückkehr in die Gegenwart hinderte, würden wir das ebenfalls zusammen erledigen. Ich würde alles gemeinsam mit ihm durchstehen. Und ihm bis zu unserer Abreise nicht mehr von der Seite weichen. Wenn ich mit Sebastiano zusammen war, konnte ich alles ertragen. Vielleicht hatte er dort, wo er wohnte, sogar einen Badezuber und ein Stück ordentliche Seife. Damit

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