Zeitenzauber - Die goldene Brücke: Band 2 (German Edition)
hatte er die Lust am Streiten verloren.
Eine Hand legte sich von hinten auf meine Schulter, und ich fuhr erschrocken herum. Philippe stand vor mir.
»Da bist du ja«, meinte er erleichtert. »Ich habe dich schon gesucht. Wo warst du die ganze Zeit?«
»Ein paar Sachen besorgen.« Ich deutete auf den Sack, den ich neben mir abgestellt hatte.
»Lass mich das tragen.« Er hob den Sack auf und schulterte ihn. »Da ist ja allerhand Zeug drin. Wo hast du das so schnell herbekommen?«
»Na, in dem Laden da. Er hatte eben noch auf.«
»Wirklich? Seltsam. Ich komme in der letzten Zeit häufig hier vorbei, aber da war er immer verriegelt und verrammelt. So wie jetzt auch.«
Ich öffnete den Mund, um ihm alles zu erklären, doch mir fiel gerade noch Esperanzas Ermahnung ein, mit niemandem darüber zu reden.
»Ich kann’s dir nicht sagen«, erklärte ich.
»Verstehe. Die Sperre, oder?«
Ich nickte bloß. In meinem Bauch rumorte es geräuschvoll. Das kam vom Stress. Der hatte bei mir oft durchschlagende Wirkung – buchstäblich. Ich hätte Esperanza fragen sollen, ob es bei ihr eine Toilette gab.
»Ist es noch weit bis zu Gaston?«, fragte ich.
»Eine Viertelstunde höchstens.«
So lange konnte ich es noch aushalten, vorausgesetzt, bis dahin passierte nichts Einschneidendes mehr. Gaston würde mich sofort zu Sebastiano bringen, dann wäre erst mal alles im Lack. In Sebastianos Gesellschaft war ich ziemlich stressresistent. Am besten lenkte ich mich bis dahin mit einer spannenden Beziehungsgeschichte ab.
»Was ist eigentlich mit Cécile und dem parfümierten Seidenfrack?«, fragte ich Philippe im Weitergehen. »Warum willst du ihn umbringen? Und wieso leben die beiden getrennt? Oder vielmehr: Weshalb hat sie ihn überhaupt geheiratet? Doch bestimmt nicht aus Liebe, oder?«
Philippe schnaubte verächtlich. »Natürlich hat sie diesen Kretin nicht aus Liebe geheiratet! Sieht er etwa aus wie ein Mann, den man lieben kann?«
»Vielleicht hat er innere Werte.«
»Aber ja. Ein Herz aus Gold.« Es klang aufgebracht.
»Also hat sie ihn wegen seines Geldes geheiratet.«
»Natürlich. Welchen anderen Grund sollte eine derart schöne und begabte Frau haben, einen solchen Widerling wie Baptiste zu ehelichen?«
»Heißt er so? Sie haben sich wohl nicht verstanden, oder? Warte, lass mich raten. Er ist ein alter Geizkragen.«
»Wenn es nur das wäre! Er hat Dinge von ihr verlangt!«
»Was für Dinge?«
Philippe räusperte sich. »Du kommst aus einer fernen Zeit und hast mir zweifellos eine Menge an Wissen voraus, aber du bist fast noch ein Kind. Ich kann mit dir nicht darüber sprechen.« Seine Ohren waren knallrot angelaufen.
»Oh.« Jetzt war ich erst richtig neugierig. »Ich sehe bloß so jung aus. In Wahrheit bin ich schon erwachsen. Du kannst es mir ruhig erzählen. Ich verkrafte das.«
»Vor einer anständigen jungen Frau werde ich nicht über das perverse Gebaren dieses Menschen reden.« Es klang entschlossen, ich würde ihn nicht umstimmen können.
»Kann sie sich nicht von ihm scheiden lassen?«, fragte ich.
»Das würde sie sicher sofort tun. Leider ist es ohne kirchliche Zustimmung völlig ausgeschlossen, und für einen solchen Dispens muss man schon tief in die Tasche greifen. Aber viel schlimmer ist, wie Baptiste ihr das Leben zur Hölle macht. Er hat sie sogar bei der Inquisition als Hexe verleumdet.«
»Du liebe Zeit.« Ich war bestürzt. Die Inquisition war der Inbegriff des Schreckens. Da hatten lauter fanatische Typen das Sagen, die ernsthaft an solchen Schwachsinn wie Hexerei glaubten.
»Bisher wurde er nicht ernst genommen. Hier in Paris ist es nicht so schlimm wie in den Provinzen, wo immer wieder arme Menschen gefoltert und verbrannt werden, weil sie angeblich mit dem Teufel im Bunde sind. Aber Baptiste lässt nicht locker, denn er kann nicht verwinden, dass Cécile ihn verlassen hat. Wenn sie sich weigert, zu ihm zurückzukommen, wird er sie weiter diffamieren. Allein die Tatsache, dass sie Schauspielerin ist, macht sie schon verdächtig. Womöglich unterstellt er ihr als Nächstes, okkultistische Bücher zu besitzen und schwarze Magie zu praktizieren. Das kann ihr Schicksal besiegeln.«
»Hat sie denn welche? Okkultistische Bücher, meine ich.«
»Das weiß ich nicht. Sie hat so viele Bücher. Ständig kauft sie sich neue, sie kann gar nicht genug davon haben.« Philippe schüttelte niedergeschlagen den Kopf. »Ich habe ihr gesagt, sie soll alles vernichten, was ihr schaden kann, doch sie
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