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Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Titel: Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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machte uns den Platz streitig.
    Eine Weile standen wir einfach da und während meine Eltern mit den Tasselhoffs Small Talk veranstalteten, betrachtete ich die Umgebung.
    Überall drängten sich Menschen, die in erwartungsvoller Stimmung auf den Kanal blickten.
    Aus dem Internet wusste ich inzwischen, dass die Regata storica mehr war als nur ein Touristenspektakel. Gerade für die Venezianer hatte dieses Ereignis eine besondere Bedeutung, weil es für sie das jährliche Highlight des hier sehr verbreiteten Rudersports darstellte.
    Vor der eigentlichen Regatta fand jedoch die historische Bootsparade statt, mit vielen Gondeln und Barken, die in feierlicher Prozession über den Canal Grande gerudert wurden. Alle Boote waren bis ins kleinste Detail historisch geschmückt, und Gondolieri sowie Mitfahrende trugen Kostüme im Stil des fünfzehnten Jahrhunderts.
    Am Vorabend hatte ich noch ein paar Fotos und Berichte mit meinem iPod gegoogelt und wusste daher ungefähr, was mich erwartete.
    »Das prächtigste Schiff von allen ist der Bucintoro «, rief Frau Tasselhoff gegen den allgemeinen Lärm an. »Das ist die goldene Prunkbarke des Dogen.«
    »Du weißt wirklich gut Bescheid«, rief Mama zurück.
    »Ich habe alles über Venedig gelesen, was man wissen muss. Wenn man fremde Städte besucht, sollte man über sie im Bilde sein. Geschichtlich und kulturell – ihr könnt mich alles fragen.« Sie deutete auf den Kanal hinaus: »Seht nur, da kommen die ersten Boote! Diese Verstrebungen am Bug der Gondel gab es übrigens schon vor fünfhundert Jahren. Sie bestehen, wie man bei genauerem Hinsehen erkennen kann, aus sechs Teilen. Jeder Teil steht für einen Teil Venedigs. Für ein Sechstel, um genau zu sein. Es gibt nämlich sechs venezianische Stadtteile, deshalb heißen sie auch Sestiere . Im Einzelnen sind das San Marco, San Polo, Cannaregio, Dorsoduro, Santa Croce, Castello und die Giudecca.«
    »Interessant!«, rief Mama.
    Kurz darauf hörte ich sie leise zu Papa sagen: »Die Frau fängt an, mich zu nerven.«
    »Erst jetzt?«, fragte Papa zurück.
    »Ich hör euch«, sagte ich.
    »Das war vertraulich«, wies Mama mich zurecht. »Und das mit den Golfwägelchen war nicht lustig. Man macht keine Witze über Behinderte.«
    »Ich fand es saukomisch«, sagte Papa.
    »Ich sehe schon die ersten Boote!«, rief Frau Tasselhoff entzückt.
    Von der Einmündung des Canal Grande her näherten sich die historisch geschmückten Boote, und schon von Weitem war zu sehen, wie farbenfroh sie waren.
    »Sieh mal, da ist auch die rote Gondel«, sagte Matthias.
    Tatsächlich, dort trieb sie heran. Das Ruder bediente wieder der einäugige alte Mann, genauso kostümiert wie noch vor einigen Tagen. Die Gondel hielt sich etwas abseits von der übrigen Formation, näher zur Kaimauer hin. Zu meinem Erstaunen scherte sie auf einmal ganz aus. Der einäugige alte Mann stieß sie mit ein paar kräftigen Ruderstößen zu der Anlegestelle, an der wir standen.
    »Was macht der denn?«, fragte Mama.
    »Keine Ahnung«, sagte Papa.
    Die Gondel trieb gegen die Treppenstufen, die im Kai eingelassen waren.
    Gestikulierend winkte der Alte zu uns hoch.
    »Sieht so aus, als wolle er, dass wir einsteigen«, sagte Frau Tasselhoff.
    »Für mich sieht es eher so aus, als wolle er uns zur Seite scheuchen«, widersprach Mama.
    »Für mich nicht«, meinte Frau Tasselhoff.
    »Irgendwas will er auf jeden Fall«, sagte Mama.
    »Wahrscheinlich hundertfünfzig Euro im Voraus«, mutmaßte Herr Tasselhoff.
    Der alte Mann verstand es und schüttelte den Kopf. Er winkte erneut, diesmal ungeduldiger. Wollte er uns wegscheuchen? Vielleicht war er bei der Feuerwehr. Ich sah zwar nirgends Löschutensilien, aber von der knallroten Farbe her hätte es gepasst.
    Auf einmal entstand auf der Anlegestelle Gedränge. Menschen schoben sich näher und plötzlich wurde es um mich herum fast tumultartig.
    »Wir waren zuerst da«, empörte sich Herr Tasselhoff.
    Frau Tasselhoff fasste einen Entschluss. »Wir sollten uns doch in die Gondel setzen. Bevor uns andere zuvorkommen. Wir geben dem Alten anstandshalber ein paar Euro und fertig.«
    »Sorry!« Jemand in der Menge drängte sich nach vorn und schubste dabei die Umstehenden beiseite. Offenbar hatte er mit seiner rüden Art, alle Leute wegzuschieben, das Gedränge erst verursacht. Ich konnte nicht sehen, wer er war, aber dafür war er umso besser zu hören. Er fluchte ärgerlich auf Italienisch vor sich hin, weil es ihm nicht schnell genug ging.

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