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Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Titel: Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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so eine Art Wahnvorstellung …«
    Sie schnitt mir das Wort ab. »Ich bin Clarissa. Das Schicksal hat uns zu Schwestern gemacht. Willkommen in deinem neuen Zuhause. Komm mit nach oben, dann zeige ich dir unsere Kammer.«
    Natürlich kam das überhaupt nicht infrage. Ich hielt Bart am Ärmel fest, als er gehen wollte. Für eine Wahnvorstellung fühlte er sich beunruhigend existent an. »Auf keinen Fall lässt du mich einfach hier! Ich will nach Hause!«
    Clarissa mischte sich ein. »Das will ich auch. Schon lange. Aber es nützt mir nichts.«
    Die dicke Frau wurde ungeduldig. »Schluss jetzt mit dem Gezänk! Ihr werdet mir noch Jacopo aufwecken! Und nun nimm das neue Gör mit in deine Kammer und sorg dafür, dass Ruhe herrscht, damit ehrbare Leute weiterschlafen können!« Sie wandte sich zur Treppe und stieg hinauf. Die Stufen knarrten erbarmungswürdig unter ihrem Gewicht.
    Bart streifte meine Hand von seinem Ärmel und wandte sich zum Gehen.
    Ich hatte immer noch nicht vor, hierzubleiben. Eilig trat ich ihm in den Weg. »Du musst mich mitnehmen! Bring mich zu Sebastiano!«
    »Ausgeschlossen.« Sein Ton duldete keinen Widerspruch. »Heute Nacht wärst du nur eine zusätzliche Gefahr für ihn!«
    Ich hatte keine Ahnung, was er damit meinte, aber sein Gesichtsausdruck deutete darauf hin, dass Widerspruch zwecklos war. Ich war so durcheinander, dass ich mich von ihm zur Seite schieben ließ. Er verschwand ohne ein Wort des Abschieds in der Nacht und mir blieb nichts anderes übrig, als dem Mädchen Clarissa nach oben zu folgen.

    Die Kammer war winzig, kaum größer als das Bett, das darin stand.
    »Ist das dein Bett?«, fragte ich höflich.
    »Ab sofort ist es auch deines«, sagte Clarissa.
    Ich wollte ihr gerade anbieten, dass ich auch irgendwo auf dem Sofa schlafen könne, doch dann machte ich mir klar, dass so was vermutlich hier nicht vorhanden war. In diesem Zimmer jedenfalls nicht. An Mobiliar gab es neben dem Bett nur eine Truhe, einen Schemel und ein Tischchen mit ein paar Sachen darauf, die der Körperpflege dienten: ein Kamm, ein Handspiegel und eine Schale, in der ein abgeschabtes Etwas lag, das ich für Seife hielt.
    Und unter dem Tischchen stand … Ich musste zwei Mal hinsehen, doch es war tatsächlich ein Nachttopf. Der Anblick löste außer Ungläubigkeit noch etwas aus: Mir wurde schlagartig klar, dass ich dringend aufs Klo musste. Konnte man sich das ebenfalls bloß einbilden?
    »Du glaubst, dass du dir alles nur einbildest, nicht wahr?«, fragte Clarissa.
    Ich nickte überrumpelt.
    »So erging es mir am Anfang auch.«
    »Soll das heißen …«
    »Es ist kein Traum. Und keine Wahnvorstellung. Es ist alles echt. Eine echte Welt. Die echte Vergangenheit. Und es führt kein Weg zurück, jedenfalls nicht für mich.«
    Mir wurde auf einmal sehr schlecht und fast hätte ich den Nachttopf benutzt, um mich zu übergeben. Doch das Rumpeln in meinen Gedärmen übertraf den Drang zu kotzen. In Stresssituationen neige ich leider zu Durchfall. Ich musste aufs Klo, und zwar sofort.
    Ich räusperte mich. »Gibt es hier im Haus eine Toilette?«
    Das heißt, ich hatte Toilette sagen wollen, aber es kam Abtritt heraus.
    »Ich bring dich hin, dann weißt du beim nächsten Mal gleich, wo es ist«, sagte Clarissa. Sie ging mit der Kerze voraus und ich folgte ihr nach unten. Der große Raum im Erdgeschoss, den ich vorhin bei meiner Ankunft nicht näher betrachtet hatte, war in der Mitte durch eine Theke abgeteilt, auf der allerlei Gegenstände aufgereiht waren. Ich erkannte eine Waage, Papier und Schreibfeder und einen Kerzenhalter. Ringsum an den Wänden gab es deckenhohe Regale, in denen Mengen von Gläsern, Tiegeln und Tongefäßen in allen Größen standen, neben Säckchen und Kästchen und anderem Kram. Von einem Deckenbalken hingen getrocknete Pflanzenbüschel.
    »Ist das ein Gewürzladen?«
    »Eine Kräuterhandlung«, sagte Clarissa. »Das ist Matildas Laden. Ich bin ihre Gehilfin.«
    Sie öffnete eine Tür, die in einen Raum mit niedriger, rußgeschwärzter Decke führte.
    »Unsere Küche«, erklärte Clarissa.
    In einer Ecke sah ich eine gemauerte Feuerstelle, über der von einer Kette ein Topf baumelte. Daneben an der Wand waren Geschirrborde angebracht. In der Mitte des Raums stand ein Tisch mit ein paar Schemeln drum herum. Der Raum hatte etwas Anheimelndes, obwohl alles so primitiv war.
    Durch eine weitere Tür führte Clarissa mich ins Freie. Im Licht der Kerze sah ich einen Innenhof, der von

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