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Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Titel: Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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efeuberankten Mauern umgeben war. An einer Seite stand ein Holzschuppen und direkt daneben gab es einen kleinen Anbau.
    »Der Abtritt«, sagte Clarissa, auf den Anbau deutend. Sie reichte mir zuvorkommend die Kerze.
    Ich betrat das Häuschen und bereute es sofort. Es stank widerwärtig und erinnerte mich an die Erzählungen meiner Oma, die bei jeder Familienfeier ihre Kindheitserinnerungen hervorkramte. Eine davon handelte von dem Plumpsklo, mit dem sie quasi aufgewachsen war. Noch heute hätte sie den Gestank in der Nase, pflegte sie zu sagen. Jetzt wusste ich, was sie damit meinte. Und außerdem wusste ich nun definitiv, dass ich wirklich in der Vergangenheit war. Nicht mal das kreativste Unterbewusstsein konnte sich diesen bestialischen Geruch und den Anblick eines breiten Holzbalkens mit einem arschgroßen Loch in der Mitte ausdenken.
    Das gab mir buchstäblich den Rest. Der schlimmste Durchfall aller Zeiten überkam mich. Hastig stellte ich den Kerzenhalter ab, raffte meine Kleidung nach oben, wedelte ein paar dicke Fliegen weg und hockte mich auf das grässlich stinkende Loch. Blieb nur zu hoffen, dass ich vor dem nächsten Mal wieder in meiner eigenen Zeit war, schon weil ich hier nirgends Klopapier fand. Es gab nur eine Holzschüssel, in der Blätter von irgendwelchen Pflanzen lagen. Immerhin fühlten sie sich weich an, also benutzte ich sie einfach.
    »Du kannst mich alles fragen«, erklärte Clarissa, als ich wieder ins Freie trat. »Aber wir müssen leise sprechen. Sobald jemand uns hören könnte, der nicht eingeweiht ist, bringst du die Worte nicht heraus. Es ist so eine Art Sperre, dagegen lässt sich nichts tun.«
    Ich musste erst mal tief durchatmen, um den Sauerstoffmangel zu beheben. »In welchem Jahr sind wir?«, fragte ich dann.
    »Vierzehnhundertneunundneunzig«, sagte sie.
    »Lieber Himmel«, flüsterte ich schockiert.
    »Ich komme aus dem Jahr Siebzehnhundertdreiundneunzig. Und du?«
    Ich wollte es sagen, aber es ging nicht. Hilflos blickte ich Clarissa an, die frustriert den Kopf schüttelte. »Du kommst aus meiner Zukunft. Deshalb kannst du es nicht sagen. Du brauchst es gar nicht erst zu versuchen. Alles, was du mir aus deiner Zeit erzählen willst, würde dir im Hals stecken bleiben. Was ist deine Muttersprache?«
    »Deutsch. Du sprichst es übrigens sehr gut, genau wie Bartolomeo und Matilda. Man hört überhaupt keinen Akzent.« Verwirrt hielt ich inne. »Eigentlich finde ich das sehr merkwürdig.«
    »Ich spreche kein Deutsch«, sagte Clarissa. »Ich komme aus Frankreich und rede Französisch, sonst nichts.«
    Ungläubig blickte ich sie an. »Aber wieso …«
    »Wieso wir uns alle verstehen? Ich dich und du mich und Bartolomeo oder alle anderen, denen du hier begegnen wirst? Das liegt in der Natur der Sache. Reisende in der Zeit passen sich an, ein jeder von ihnen versteht die Sprache der anderen, und er spricht so, dass alle anderen es verstehen. Von ganz allein.«
    Ich wusste nicht recht, was ich davon halten sollte. Wurde einem bei der Zeitreise eine Art intergalaktischer Translator eingepflanzt? Unglaublich, aber auf jeden Fall sinnvoll und praktisch. Schade, dass es diese Methode nicht bei uns an der Schule gab. In Latein oder Englisch hätte ich das gut brauchen können.
    Die Unterhaltung geriet kurz ins Stocken. Ich überlegte, was ich über das achtzehnte Jahrhundert in Frankreich wusste. In etwa so viel wie bei meiner letzten Geschichtsarbeit zu dem Thema, nämlich so gut wie nichts. Doch, halt – die französische Revolution! Hatte die nicht ungefähr um die Zeit stattgefunden?
    Ich versuchte mein Glück. »Kennst du Marie Antoinette?«
    Clarissa zuckte zusammen. »Wer kennt sie nicht, die arme gefallene Königin.«
    »Äh … als du dort weg bist, war sie da schon …?«
    »Unter dem Fallbeil?« Clarissa nickte bedrückt. »Ich sah sie sterben und vergoss endlose Tränen.«
    »Äh … ich sah über sie neulich ein Kostümstück mit einer Schauspielerin.« Eigentlich wollte ich sagen einen Film mit Kirsten Dunst , aber das wurde automatisch zu dem mir schon geläufigen Kostümstück abgewandelt. Was mich sofort zu meiner nächsten Frage brachte. »Wer hat das eigentlich so eingerichtet? Ich meine, die Sache mit der Sprache und der Sperre?«
    Sie zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Doch dafür kann ich dir erklären, wie es funktioniert: Wer aus der Zukunft hierherkommt, spricht die Sprache dieser Zeit von ganz allein. Aber niemand kann etwas äußern, was die Zeit in

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