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Zeitfinsternis

Zeitfinsternis

Titel: Zeitfinsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David S. Garnett
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Meter entfernt.
    Groß, breitschultrig, grinsend, nackt, schwarz.
    Nicht David.
    Die Gestalt ging einen Schritt auf Sonya zu.
    Sie versuchte zu schreien.
    Mein meisterhafter Plan hatte nur eine schwache Stelle: von Angel. Was sollte ich ihn ausführen, wenn er immer dabei war? Vielleicht hätte ich ihn irgendwo verlieren sollen, allerdings nicht mit Gewalt, weil ich ihn ganz gern mochte. Ich entschloß mich dazu, dieses Problem zu lösen, wenn es soweit wäre, aber ich warnte ihn:
    „Wenn wir dorthin kommen, sagt Ihr keinen Ton. Verstanden?“
    „Ja.“
    „Ihr macht nichts, bis ich es Euch sage.“
    „Ja“, sagte er in genau dem gleichen gelangweilten Tonfall.
    „Ich meine das ernst. Ungehorsam könnte den Tod bedeuten.“ Das hörte sich zwar überdramatisch an, war aber die Wahrheit.
    „Ja.“
    Dann war da noch mein Kommunikator. Ich hatte zwar nicht die Anweisung erhalten, in Verbindung zu bleiben, aber auf der anderen Seite hatte ich so gut wie gar keine Anweisungen erhalten. Ich konnte ja eine Geschichte erfinden: daß er defekt gewesen sei, oder daß ich befürchtet hatte, jeder Ruf würde abgefangen. Dazu reichte meine Phantasie schon aus – und wenn ich hierblieb, freiwillig oder nicht, dann würde ich ohnehin keine Ausrede brauchen.
    Es war in der nächsten Stadt, ganz einfach zu finden. Wir mußten uns nur nach dem Gebäude umsehen, das am größten, am wenigsten verfallen und am besten bewacht war: In diesem Fall schien es sich um ein ehemaliges Bahnhofshotel zu handeln, obwohl die Schienen schon vor langer Zeit entfernt worden waren, damit sie nicht dazu benutzt werden konnten, daraus… irgend etwas zu machen.
    Von Angel hatte Angst, und auch von mir konnte man nicht sagen, daß ich voller unbändiger Freude gewesen wäre. Der Saarländer mußte schon Gerüchte über die flämischen ‚Zauberer’ gehört haben – Geschichten über ihre Beziehungen zu Gnomen und bösen Geistern, über ihre übernatürlichen Kräfte, darüber, was sie mit denen anfingen, die sie nur im geringsten ärgerten, und über das schreckliche Geschick der Scharen von zarten jungen Mädchen, die in ihren Festungen verschwanden. Und so weiter. Geschichten, die ursprünglich wir verbreitet hatten, weil wir den Versuch unternehmen wollten, die Leute hier oben dazu zu bringen, sich gegen die Flamen zu wehren, die aber im Verlauf ihrer Verbreitung ausgeschmückt und verzerrt worden waren und die, wenn überhaupt, nun das Gegenteil bewirkten. Irgend jemand hatte damit angefangen, diese Geschichten zu verbreiten, und das war dann beliebt geworden. Wir hatten nie auch nur einen einzigen Schritt unternommen, um den Ereignissen in Flandern eine andere Wendung zu geben, auch der Erste nicht, und daher war er wohl auch nicht für diese Geschichten verantwortlich. Wenn er etwas dagegen unternommen hatte, dann hatte ich zumindest noch nie etwas davon gehört.
    Was die Geschichten betraf: Die Renegaten verfügten über weniger Wissen und Macht als die ,Zauberer’, die ihren Dienst in anderen Ländern taten, weil sie vom Nachschub an Informationen und Material von unten abgeschnitten waren. Von deren Verantwortungen trugen sie keine, aber sie trugen andere – wie die direkte Regierung über einige tausend Menschen. Manche führten Überfälle über die Grenze aus, wie derjenige, von dem von Angel gesprochen hatte, aber das schreckliche Schicksal, das diese Mädchen traf, war in dieser Welt Alltäglichkeit und noch nicht einmal das Schlimmste, was ihnen passieren konnte: Sie mußten sich, vielleicht nur für ein paar Tage, dem Willen eines Mannes fügen, der der absolute Herrscher der Gegend war und der sie besser ernährte, kleidete und behandelte, als sie jemals vorher ernährt, gekleidet und behandelt worden waren. Unter Umständen wurden sie allerdings auch von seinen Soldaten vergewaltigt und später umgebracht, aber selbst das konnte ihnen überall passieren.
    „Was wollt ihr?“ fragte der Posten am Haupteingang, der wie der Urtyp jener Sorte von Soldaten aussah, die vergewaltigten und mordeten. Außerdem hielt er eine Armbrust in der Hand, was eine Wiedereinführung war, von der ich noch nichts gehört hatte. Sie war auf meinen Hals gerichtet.
    Langsam schlug ich meine Jacke zurück, so daß er meine Pistole sehen konnte. „Ich möchte Eurem Herrn einen Besuch abstatten.“
    „Wartet hier“, sagte er und ging weg.
    Unter dem wachsamen Blick von einem halben Dutzend Augen – auf den Mauern und in den Fenstern standen noch

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