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Zeitfinsternis

Zeitfinsternis

Titel: Zeitfinsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David S. Garnett
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Information, die er bestimmt nicht gern verbreitet sehen würde, und vielleicht wollte er sichergehen, daß ich meinen Mund hielt. Für immer. Oder vielleicht hatte er dem Mädchen vollständigere Direktiven erteilt, die er im weiteren Verlauf ihres Wegs noch präzisierte. Das hoffte ich.
    Einen Augenblick lang fragte ich mich, wie die beiden wohl miteinander auskommen würden – was sich zwischen ihnen abspielte und ob sie die letzte Nacht auf die gleiche Art verbracht hatten wie Sonya und ich.
    Der zweite Punkt in der Soll-Spalte war von Angel. Er stammte von der Oberfläche, und er war hier unten.
    Bis jetzt hatte ich ihn aus meinem Bewußtsein verdrängt, aber ich wußte, daß er kurz davorstand, diese Mauer zu durchbrechen, und er würde nicht verschwinden, bis ich mir über ihn klargeworden war. Ich ließ die Gedanken an ihn also durch.
    Als wir ihn nach unten gebracht hatten, schien er nicht allzu schwer verletzt gewesen zu sein – Schnitte, Abschürfungen, blaue Flecken. Er war aber bewußtlos gewesen, was eventuell auf innere Verletzungen hinwies. Sie hatten ihn in das Krankenhaus gebracht – es gab nur eines –, und ich hätte mich nach ihm erkundigen können. Ich wollte aber nicht noch tiefer in die Sache verwickelt werden. Ich schuldete ihm nichts. Wir hätten ihn dort liegenlassen sollen, wo er war.
    Ein anderer Teil meines Kopfes allerdings dachte da anders: daß er meinetwegen verletzt worden war, daß man ihn nicht oben lassen konnte, selbst wenn er völlig unverletzt gewesen wäre, weil er zuviel wußte. Und vielleicht verspürte ich auch ein gewisses Schuldgefühl wegen der Dinge, die vorgefallen waren – und auch wegen meines Verhaltens. Ich hatte ihn benutzt, und er hatte dafür leiden müssen. Es war nicht mehr als gerecht, daß er behandelt wurde.
    Er wurde doch behandelt, oder? Natürlich würde er das, das brauchte ich nicht erst herauszufinden. Wenn es ihm wieder gutging, dann würden sie sein Gedächtnis manipulieren und ihn laufenlassen.
    Natürlich würden sie das. Warum auch nicht?
    Mir fielen ohne die geringste Anstrengung ein paar gute Gründe dafür ein.
    „Sie haben Glück, daß Sie noch am Leben sind“, sagten sie immer wieder, und in gewisser Beziehung war das richtig. Er hatte Glück gehabt, daß seine Entführer so bald verfolgt worden waren; er hatte Glück gehabt, daß er nicht getötet worden war, als er vor ihnen geflohen war. Aber immerhin hatte er die anderen zusammengerufen, so daß sie schon ganz kurz nach seiner Gefangennahme zur Stelle sein konnten. Er hatte erwartet, daß der Wächter irgendeinen Trick versuchen würde. Er, nur er, hatte sein Pferd zur Flucht angespornt – aber seine sogenannten Freunde hatten auf ihn geschossen und ihn beinahe getötet. Wenn das allerdings nicht geschehen wäre, hätte er ein schlimmeres Schicksal als den Tod ertragen müssen: Man hätte ihn unter die Erde verschleppt, verhört, gefoltert, bestraft, verstümmelt. Nicht daß er völlig unverletzt entkommen war, aber die Verletzungen waren weniger schlimm als das, was mit ihm hätte geschehen können. Der Erste hatte etwas vor. Nach zehn Jahren Grabesruhe erwachte er endlich zum Leben. Sie mußten handeln, bevor er noch weitere Schritte unternehmen konnte. Und das mußte jetzt sein, sonst würden sie alle sterben müssen, weil sie zu lange gezögert hatten. „Wir müssen den Plan jetzt ausführen“, sagte Duval immer wieder, und alle anderen nickten zustimmend.
     
     
    „Das haben Sie gut gemacht“, sagte der Erste.
    „Vielen Dank“, sagte ich und dachte, daß zwar bisher alles gutgegangen war, fragte mich aber, wie es enden würde. Er hatte mich sicherlich nicht nur deshalb angerufen, weil er mir seine Anerkennung ausdrücken wollte.
    „Und deshalb habe ich noch einen Auftrag für Sie. Sie müssen nach Afrika.“
    „Afrika?“
    „Nehmen Sie den Ritter von der Oberfläche mit, der hilft Ihnen vielleicht.“
    An diesem Satz klammerte ich mich fest, da er leichter zu verstehen war als der vorhergehende. Er wußte über von Angel Bescheid. Natürlich. Er schien aber nichts gegen ihn zu haben.
    „Warum Afrika?“ sagte ich und versuchte, auch darin den Sinn zu entdecken. „Was ist denn in Afrika?“
    „Das sollen Sie ja herausfinden. Nehmen Sie sich, was Sie brauchen. Bleiben Sie in Verbindung.“
    Das war alles, und er wollte gerade die Verbindung abbrechen. „Warten Sie!“ sagte ich.
    „Was gibt es noch?“
    „Äh… hat das etwas mit diesen Dingern, diesen

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