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Zeitfinsternis

Zeitfinsternis

Titel: Zeitfinsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David S. Garnett
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ausgestorben. Wir müssen herausbekommen, ob das wahr ist. Und nach Afrika ist es ein langer Ritt.“
    Das glaubte der junge Ritter gern, wenn er sich die beiden vollbeladenen Packpferde ansah, die er führte.
    Es war die Sache nicht wert, nach der jungen Frau zu fragen, die sie aus Flandern geholt hatten. Wenn sie in dem unterirdischen Reich verschwunden war, dann würde Attila sie ganz sicher nie wiedersehen. Er konnte nur selbst dankbar dafür sein, daß er sich nicht mehr unter den Hügeln und Feldern, Bäumen und Flüssen befand.
    Am ersten Tag ritten sie bis lange nach Einbruch der Dunkelheit, und es war kurz vor der Morgendämmerung gewesen, als sie von unten an die Oberfläche gekommen waren. Am nächsten Tag sahen sie kaum Menschen, und die Straßen und Häuser wurden schlechter als alles, was er vorher gesehen hatte. Um diese Zeit fing er an, sich zu überlegen, ob an dem, was der Zauberer gesagt hatte, etwas Wahres gewesen war: daß sie auf eine Gegend zukamen, in der keine Menschen leben konnten. Was war aber dann mit den Menschen und Tieren, die einst Afrika bevölkert hatten? Er hatte schon Geschichten von fernen Ländern gehört, die die Menschen vor vielen Jahren gekannt hatten, aber er hatte sie nie für mehr als phantastische Gerüchte gehalten. War es möglich, daß Menschen – schwarze Menschen noch dazu – jetzt noch in Afrika lebten? Waren das Riesen und Zwerge? Wie waren sie und ihre Elefanten nach Europa gekommen und plötzlich aus der leeren Luft erschienen?
    Seine ursprüngliche Theorie über den Drachen-Elefanten fiel ihm wieder ein, und so sagte er an diesem Abend nach dem Essen zu seinem Gefährten: „König Attila XXI. hat einen Zauberer namens Fell…“
    „Hatte“, sagte der andere. „Er ist umgebracht worden, kurz nachdem er von der Schlacht zurückgekommen ist.“
    „Oh“, sagte Guy.
    Es gab soviel, wovon er nichts wußte, soviel, was er sich nicht einmal entfernt vorstellen konnte. Zum Beispiel: Wer waren die Zauberer? Warum lebten manche von ihnen unter der Erde, andere hingegen nicht? Der Mann aber, der ihm eine Antwort auf alle diese Fragen hätte geben können, war im Verlauf der letzten Stunden immer unnahbarer geworden, als grübelte er über ein Problem nach. Jetzt bereitete er sich aufs Schlafen vor, und für Fragen war nicht die rechte Zeit. Selbst wenn es eine andere Tageszeit gewesen wäre: Guy war sich nicht sicher, ob er sich getraut hätte, ihn zu fragen, denn es gab Dinge, die normale Sterbliche nicht wissen durften.
    Guy hätte sich in der Dunkelheit wegstehlen können, aber er tat es nicht. Wenn er bei dem Zauberer blieb, war alles möglich, und wenn er in die Heimat zurückkehrte, wartete nichts auf ihn – für ihn war die Zeit gekommen, zwischen einer unsicheren Zukunft zu wählen und… und gar nichts. Er blieb. Bei dem Zauberer war er sicher, und vielleicht würde er eines Tages eine Antwort auf all die Fragen finden, die er jetzt nicht zu stellen wagte.
    Am dritten Tag sagte der Zauberer, als sie sich wieder auf den Weg machten: „Sie müssen ausgestorben sein.“
    „Aber wir haben doch beide einen Elefanten gesehen, Ihr und ich, und ich habe Hunderte von Schwarzen gesehen – sowohl große als auch kleine.“
    „Sie waren nicht echt.“
    „Nicht echt?“ fragte Sir Guy.
    „Jemand hat sie gemacht wie… eine Frau, die für ihre Tochter eine Puppe macht. Mehr waren sie nicht. Nicht echt. Nicht aus Fleisch und Blut wie wir.“
    Eine Minute später sagte Guy: „Dann müssen sie gar nicht notwendigerweise aus Afrika stammen.“
    „Nein“, sagte der Zauberer.
    Aber sie ritten weiter, und wieder wurden die Gedanken Sir Guys von Zweifeln überschattet. Warum ritten sie weiter? Er verstand das nicht. Es war zu verwirrend.
    Sowohl sein Mangel an Verständnis als auch seine Verwirrung steigerten sich noch, als sie an einem Schwarzen vorbeiritten, der an einen Baumstumpf gelehnt auf dem Boden saß und ihnen zurief:
    „Hallo. Ich habe auf euch gewartet.“
    Es überraschte mich ein wenig, daß von Angel bei mir blieb. Er hätte das nicht müssen. Er hätte weggehen können, und ich hätte ihn nicht aufgehalten. Ich ermutigte ihn auch nicht zum Bleiben, obwohl ich in gewisser Weise froh war, daß ich ihn bei mir hatte – wenn man es auch kaum als Gesellschaft bezeichnen konnte. Vielleicht hatte er mehr Mut und Neugier, als ich ihm zugetraut hatte. War er nicht schon allein nach Flandern geritten und hatte dabei das Saarland viele Kilometer hinter sich

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