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Zeitfinsternis

Zeitfinsternis

Titel: Zeitfinsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David S. Garnett
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er.
    „Ja, ich weiß. Ers­ter weiß es auch.“
    Sie stell­te sich vor, wie er nick­te, ob­wohl sie sein Ge­sicht noch nie ge­se­hen hat­te. Die Stim­me sag­te: „Das war ja zu er­war­ten. Ich ha­be auch nur die Be­stä­ti­gung ge­braucht.“
    „Was soll ich ma­chen?“
    „Gib wei­ter güns­ti­ge Be­rich­te, das wird ihn ver­wir­ren. Wenn es sonst noch et­was gibt, mel­de ich mich.“
    Der Wa­gen brems­te be­reits hef­tig. Er fuhr auf die nächs­te Tran­sithal­te­stel­le zu, die ei­gent­lich au­ßer Be­trieb war.
    „Und wie sieht es sonst aus?“ frag­te die Frau.
    „Du weißt, daß ich dir das nicht sa­gen kann“, sag­te der Mann – wenn es ein Mann war – mit sei­ner ge­wohn­ten dump­fen, er­stick­ten Stim­me. Die Tür be­gann sich zu öff­nen, und die Stim­me kam jetzt von wei­ter hin­ten. „Es dau­ert jetzt nicht mehr lan­ge. Denk im­mer dar­an, daß du zu den we­ni­gen Aus­er­wähl­ten ge­hörst.“
    Die Tür schloß sich. Der Trans­por­ter ras­te auf sei­ner ein­zel­nen, ge­schwun­ge­nen Schie­ne vor­wärts.
    Die Frau biß sich auf die Lip­pe und starr­te die run­de, fens­ter­lo­se Wand an.
    So war es noch nie vor­her. Noch nie. Oder zu­min­dest nicht, so­weit er sich er­in­nern konn­te – was nicht viel hei­ßen muß­te. Wenn aber so et­was vor­her schon ein­mal pas­siert wä­re, dann wür­de er sich doch si­cher dar­an er­in­nern… oder?
    Ers­ter liegt auf dem Bett. Sein Ge­sicht ist in dem ein­zi­gen Kis­sen ver­gra­ben. Noch vor ein paar Stun­den hat er mit Fell ge­spro­chen, und jetzt ist der Mann tot. Er weiß noch nicht wie oder warum oder über­haupt et­was, aber das ist nicht wich­tig. Das re­geln wir spä­ter; viel­leicht er­le­digt M ASCHI­NE es schon. Wie kommt es, daß er nicht ge­wußt hat, was ge­sche­hen wür­de? Warum kann er sich nicht dar­an er­in­nern, ob M ASCHI­NE es ihm ge­sagt hat? Ges­tern erst. So schlecht kann sein Ge­dächt­nis doch nicht ge­wor­den sein… oder?
    Er hält sich ei­gent­lich nicht wirk­lich für einen Zeit­rei­sen­den: Nur sein Geist geht in die Zu­kunft, springt nach vor­ne, bleibt aber in sei­nem Kör­per – wäh­rend der Ges­tern-Geist wie­der wei­ter­geht, um die Lücke zu fül­len, die ein paar Ta­ge wei­ter in der Zu­kunft liegt, und die üb­rig­ge­las­sen wor­den war, als er sich in ein noch wei­te­res Sta­di­um be­wegt hat­te. Es scheint da kein re­gel­mä­ßi­ges Sche­ma zu ge­ben – oder viel­mehr, wenn es ei­nes gibt, dann hat er es noch nicht ent­deckt. Ers­ter lebt sein Le­ben in Stücken, und al­lein M ASCHI­NE kann für ihn den Über­blick be­hal­ten und als sein Ge­dächt­nis die­nen. Er er­lebt Fol­gen vor Ur­sa­chen, und M ASCHI­NE läßt es ihn im­mer wis­sen, wel­che wich­ti­gen Din­ge er zu er­war­ten hat.
    Im­mer?
    Und was ist mit Wäch­ter Fells Tod?
    Ir­gend­wann in der Zu­kunft wacht Ers­ter auf. M ASCHI­NE sagt ihm, wann er lebt und was seit sei­ner letz­ten sub­jek­ti­ven Wach­pe­ri­ode pas­siert ist. Das ge­schieht in der einen Hälf­te sei­ner Zeit. In der an­de­ren Hälf­te reist er in der Zeit zu­rück, und dann ist es sei­ne Auf­ga­be, M ASCHI­NE ZU be­rich­ten, was in der Zu­kunft ge­sche­hen ist. Was die­se be­son­de­re Ge­le­gen­heit be­trifft: In der Zu­kunft be­rich­tet M ASCHI­NE ihm von Fells Tod, und wenn er dann zu­rück­geht, sagt er es M ASCHI­NE . Das je­den­falls ha­be er ge­tan, be­haup­tet M ASCHI­NE ; aber die be­haup­tet auch, daß sie dem Ers­ten die­se In­for­ma­ti­on gab, nach­dem die­se In­for­ma­ti­on von ihm weg­ge­glit­ten war, wie das sei­ne Er­in­ne­run­gen an die Zu­kunft – und an die Ver­gan­gen­heit – im­mer tun.
    Er ist sich fast si­cher, daß er es nach so kur­z­er Zeit nicht schon wie­der ver­ges­sen ha­ben kann. Und wenn er es nicht ver­ges­sen hat, dann heißt das, daß M ASCHI­NE es ihm nicht ge­sagt hat.
    Aber warum nicht? Hat sie sich schon vor­her so ver­hal­ten, oh­ne daß er sich dar­an er­in­nern kann? Wenn er das nächs­te Mal auf­wacht, hat er die Täu­schung dann ver­ges­sen?
    Wie so oft, so leicht, schläft Ers­ter ein. Wäh­rend sein Kör­per bleibt, wo er liegt, macht sich sein Geist auf die Wan­der­schaft.
     
     
    Mit auf­ge­ris­se­nen, aber nicht er­schreck­ten

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