Zeitfinsternis
sich um und rasten davon. Aus den Verfolgern waren Verfolgte geworden.
Unfähig, sich zu bewegen oder auch nur einen klaren Gedanken zu fassen, beobachtete der Saarländer die Szene ein paar Minuten lang. Schließlich, lange, nachdem er mit seinen Augen die Finsternis nicht mehr durchdringen konnte, schwenkte er Gilbert wieder herum und ritt weiter nach Westen. Zum ersten Mal, seit er seine Heimat hinter sich gelassen hatte, lächelte er.
Von Anfang an, so schien es ihm zumindest jetzt, hatte er den Verdacht gehabt, daß die schwarzen Teufel, die die Lothringer vernichtet hatten, von dem Zauberer Fell heraufbeschworen worden waren. Dann aber war etwas schiefgelaufen, und sie hatten sich gegen Attilas Streitmacht gerichtet. Wie sonst wäre es dem Zauberer möglich gewesen, sie davon abzuhalten, die Überlebenden umzubringen? Nun hatte er den Beweis für seinen Verdacht. Er hatte nie wirklich an den Drachen geglaubt, ebenso wenig wie er wirklich an die Existenz von Dämonen geglaubt hatte. So wie Fell die Riesen und Zwerge hatte erscheinen lassen, so hatte er auch den Drachen herbeigezaubert, um die Lothringer einzuschüchtern und davonzujagen. Das war offensichtlich und ganz einfach. Der König mußte dem Zauberer die Anweisung erteilt haben, Sir Guy seinen magischen Schutz zukommen zu lassen, damit er Attilas Befehl zügig und in Sicherheit ausführen konnte.
Sir Guy fragte sich jetzt, wie er jemals auch nur für einen Moment Zweifel an seiner Mission hatte haben können. Selbstverständlich hatte der König ihn nicht vergessen – und außerdem wußte er durch Fell genau, wo der junge Ritter war und was er machte. Er durfte seinen Herrscher nicht enttäuschen.
Er zog seine Schultern zurück und hob seinen Kopf, als er weiter durch die Nacht ritt. Er hoffte insgeheim, daß er für viele Meilen keine feindliche Drachen antreffen würde, und daß der, den er gerade gesehen hatte, sich ihm nicht später zu seinem Schutz anschließen würde.
Wenn er schläft, bleibt sein Geist oft in seinem Körper und reist nicht in die Zukunft. Nicht aber bei dieser besonderen Gelegenheit.
M ASCHINE braucht ihm nicht immer zu sagen, was geschehen ist, damit er die Nachricht aus der Zukunft in die Vergangenheit zurückbringen kann.
Es war nur ein kurzer Ausflug nach vorne; er ist schon weiter voraus gewesen und hat alle wichtigen Angaben zurückgebracht.
Also erhält Erster von M ASCHINE – nur dreißig Stunden von seinem ‚vorherigen Jetzt’ entfernt – die Meldung: „Nichts zu berichten“, nachdem sie seine Zeitkoordinaten festgelegt hat.
M ASCHINE steht für den Fall neben seinem Bett, daß er etwas braucht oder Fragen zu den Ereignissen der vergangenen dreißig Stunden hat. Gewöhnlich hat er die, weil er so viele Zeitsprünge macht, daß er sie nicht voneinander unterscheiden kann; er bringt durcheinander, was schon geschehen ist und was noch geschehen wird. Trotzdem ist er oft der Meinung, daß M ASCHINE ihm nicht genug ohne Befragung erzählt, besonders weil es soviel gibt, an das er sich nicht erinnern kann. Dann fällt ihm wieder ein, daß er gedacht hatte – wann? –, sein Gedächtnis und seine Konzentrationsfähigkeit hätten sich verbessert, trotz der Dinge, von denen M ASCHINE behauptet, sie hätte sie ihm gesagt, an die er sich aber nicht erinnern kann. Und ironischerweise weiß er nicht, ob er recht hat oder nicht; er kann sich einfach nicht daran erinnern. Er hat keine Vergleichsmöglichkeit, und daher ist es auch möglich, daß sich gar nichts verbessert hat.
Erster liegt bewegungslos, seine Fragen bleiben unbeantwortet. Nur seine Augenlider zucken. Er ist müde und blaß, er wird bald wieder schlafen. Seine Hand fährt unter das
Weitere Kostenlose Bücher