Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeitfinsternis

Zeitfinsternis

Titel: Zeitfinsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David S. Garnett
Vom Netzwerk:
ver­schluck­te sich, aber schließ­lich ge­lang es ihm doch, die halb­ga­ren Ge­mü­se­stücke hin­un­ter­zu­wür­gen. Er sah lang­sam auf. Der Frem­de war ein Sol­dat in ei­ner ro­ten Uni­form, die der Rit­ter gut kann­te, weil er sie vor drei Ta­gen an so vie­len Lei­chen ge­se­hen hat­te. Sir Guy sag­te nichts.
    „Ist das wahr?“ frag­te der Loth­rin­ger mit auf­ge­ris­se­nen Au­gen, aber lei­ser Stim­me.
    Guy wuß­te, daß er es nicht ab­strei­ten konn­te. „Wißt Ihr et­was von der Sa­che?“
    „Viel­leicht.“
    „Ich kann be­zah­len“, log Guy und war selbst ver­blüfft über sei­ne Kühn­heit.
    „Warum möch­tet Ihr das wis­sen?“
    „Das kann ich Euch nicht sa­gen.“
    Der Mann kratz­te sich am Kinn.
    „Ich will sie fin­den, und Ihr auch. Warum er­zäh­len wir uns nicht, was wir wis­sen?“
    „Na gut“, sag­te Guy. Er hob sei­nen Krug, um ihn wie­der fül­len zu las­sen und be­stell­te auch für den Loth­rin­ger. „Ihr zu­erst.“
    Der Mann biß sich auf die Lip­pe, nick­te aber dann. „Ich ha­be sie nach Ver­dun ge­bracht. Ich war der ein­zi­ge Über­le­ben­de, als Eu­re Hor­den un­se­re Leu­te nie­der­ge­met­zelt ha­ben.“
    Der Mann wuß­te al­so, wo er her­kam, dach­te Guy; aber of­fen­sicht­lich war sein In­ter­es­se an der Frau grö­ßer als sein Haß auf At­ti­las Sol­da­ten. Nach dem zu ur­tei­len, was er sag­te, schi­en er nicht zu wis­sen, was auf dem Schlacht­feld wirk­lich vor­ge­fal­len war. Er be­haup­te­te, der ein­zi­ge Über­le­ben­de von Na­po­le­ons Trup­pen zu sein – kam das da­her, daß er nicht an der Schlacht teil­ge­nom­men hat­te? Guy war vor­sich­tig ge­nug, sol­che Spe­ku­la­tio­nen nicht laut zu äu­ßern.
    „Wei­ter“, sag­te er nur und schob dem Sol­da­ten sei­nen Krug zu.
    „Viel mehr weiß ich nicht. Sie war da. Ich war da. Wir sind von dem Schlacht­feld aus nach Ver­dun ge­rit­ten, und dann hat der neue Kö­nig sie sich ge­holt, und ich…“
    „Der neue Kö­nig?“ un­ter­brach Guy.
    „Ja, Na­po­le­on XV.“
    „Ist sie jetzt bei ihm?“
    „Nein, sie ist weg­ge­gan­gen.“
    „Weg­ge­gan­gen? Wo­hin?“
    „Das weiß ich nicht; aber jetzt seid Ihr dran. Wo­her stammt sie?“
    „Das weiß ich nicht.“
    „Warum seid Ihr dann hier?“
    „Um sie zu su­chen.“ Der Loth­rin­ger öff­ne­te den Mund, um sich zu be­schwe­ren, aber Guy drang wei­ter in ihn: „Wißt Ihr, wie sie heißt?“
    Der Mann schloß sei­nen Mund, öff­ne­te ihn wie­der und mach­te ihn dann noch ein­mal zu. „Nein“, sag­te er. „Und Ihr?“
    „Ich weiß nur das, was Ihr mir er­zählt habt.“
    „Und Ihr – Ihr habt mir gar nichts er­zählt.“
    „Ge­nau das ist es, was ich weiß.“ Er starr­te den Mann an und war­te­te dar­auf, daß er weg­ging und auf­hör­te, ihn zu be­läs­ti­gen. Selt­sam, daß je­des­mal dann, wenn er sich der Frau ge­nä­hert zu ha­ben glaub­te, sie wie­der in wei­te Fer­ne ent­rück­te. Guy schlug mit der Faust auf den Tisch, um noch Bier zu be­stel­len. Zu­fäl­lig er­wi­sch­te er da­bei mit sei­nem lee­ren Krug die Über­res­te sei­ner Mahl­zeit und über­schüt­te­te den Mann ge­gen­über mit fet­ti­gen Bro­cken.
    Der Mann sprang auf. Auf den Fü­ßen schwank­te er fast ge­nau­so stark wie Sir Guy beim Sit­zen. „Lüg­ner!“ brüll­te er, und zog sein Schwert „Be­trü­ger! Hu­ren­bock! Ver­rä­ter!“
    Guy sah ihm mit mä­ßi­gem In­ter­es­se zu. Woll­te er ihm et­was sa­gen? Er schlug wie­der auf den Tisch und warf da­bei den Krug, die Schüs­sel und ih­ren In­halt auf den Bo­den. Nach ei­ni­gen miß­glück­ten Ver­su­chen ge­lang es ihm, sein kur­z­es Mes­ser zu er­grei­fen, das er da­zu be­nutzt hat­te, um sich von dem fet­ti­gen Fleisch mund­ge­rech­te Stücke ab­zu­schnei­den. Er hielt es mit der Spit­ze nach oben in der Hand und schlug im­mer wie­der da­mit auf den Tisch.
    In­zwi­schen hat­te der Sol­dat sein schma­les Schwert ge­zo­gen, es er­ho­ben und war an die Sei­te des Tischs ge­eilt, um so sei­ne Stoß­rich­tung zu ver­bes­sern. Un­glück­li­cher­wei­se rutsch­te er je­doch mit ei­nem Fuß in den Es­sens­res­ten aus, die Guy auf den Bo­den ge­wor­fen hat­te, und sein Bein knick­te un­ter ihm ab. Er fiel. Er krach­te mit dem

Weitere Kostenlose Bücher