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Zeitfinsternis

Zeitfinsternis

Titel: Zeitfinsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David S. Garnett
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Kinn auf den Tisch, und das Mes­ser, das der Saar­län­der in der Hand hielt, fuhr ihm ge­nau in die Keh­le.
    Sir Guy blieb nur noch kurz sit­zen, um sich das Blut an­zu­se­hen, das plötz­lich her­aus­schoß. Dann er­hob er sich und eil­te, so gut es ging, zur Tür. Al­le an­de­ren Gäs­te ver­folg­ten ei­ne ähn­li­che Po­li­tik.
    Drau­ßen stand Gil­bert be­reit, und er selbst über­leg­te sich nur noch, daß er mit weit we­ni­ger Mü­he oh­ne Be­zah­lung ent­kom­men war, als er sich das ei­ni­ge Mi­nu­ten zu­vor vor­ge­stellt hat­te.
     
     
    Ich deu­te­te auf das be­we­gungs­lo­se Bild auf dem Wand­schirm und sag­te zu Ray­mond: „Sie exis­tiert. Da ist sie doch.“
    Aber er sah nicht hin, als hoff­te er, daß sie ver­schwin­den wür­de.
    „Wie ist es denn mit den Leu­ten aus dem Dorf, was wis­sen sie von ihr?“
    „Ver­su­chen Sie doch mal, sie zu fra­gen. Sie sind al­le tot.“
    „Tot?“ sag­te ich und dreh­te mich um, um ihn an­zu­se­hen.
    „Die An­dro­iden ha­ben sie er­wi­scht. Die Dorf­be­woh­ner wa­ren un­ter den Zu­schau­ern. Al­le tot bis auf ei­ne Aus­nah­me.“
    „Und wer ist das?“
    „Ein al­ter Mann, den sie zu­rück­ge­las­sen ha­ben. Der ist aber in­zwi­schen si­cher tot; bald ist es vor­bei.“
    „Aha. Und wo ist sie jetzt? Sie ist doch nicht um­ge­kom­men, oder?“
    „Sie ist viel­leicht nach Wes­ten ge­bracht wor­den“, sag­te Ray­mond. „Wenn Sie war­ten wol­len, kann ich das über­prü­fen.“
    Ich war­te­te, und er ent­fern­te sich und über­prüf­te, was im­mer das hieß. Das aber war sei­ne Sa­che, nicht mei­ne. Über die tech­ni­sche Sei­te brauch­te ich mir kei­ne Ge­dan­ken zu ma­chen.
    „Ges­tern abend war sie in Ver­dun“, teil­te er mir schließ­lich mit.
    „Heißt das, daß sie jetzt nicht mehr da ist?“
    „Es scheint nicht so. Der neue Na­po­le­on hat den Be­fehl ge­ge­ben, sie zu fin­den und zu ihm zu brin­gen.“
    „Tat­säch­lich?“ sag­te ich, und in mei­nem Kopf fin­gen ei­ni­ge Räd­chen an, sich zu dre­hen.
    „Tat­säch­lich“, sag­te Ray­mond. „Und er ist nicht der ein­zi­ge, der In­ter­es­se zeigt. At­ti­la XXI. hat einen Rit­ter aus­ge­schickt, um sie zu su­chen und ins Saar­land zu­rück­zu­brin­gen.“
    „Und wie kommt er da­mit vor­an?“
    „In ein paar Stun­den ist er in Ver­dun.“
    „Ich brau­che ein Bild von ihr, und sämt­li­che In­for­ma­ti­on über sie, die Sie aus­gra­ben kön­nen. Das glei­che gilt für den Rit­ter, den At­ti­la aus­ge­schickt hat.“
    „Sir Guy von An­gel.“
    „Über die­sen En­gel“, sag­te ich, aber Ray­mond lä­chel­te nicht ein­mal. „Au­ßer­dem über die Leu­te, die Na­po­le­on aus­schickt.“
    „Gut.“
    „Ich möch­te über neue Ent­wick­lun­gen in­for­miert wer­den. Be­vor ich weg­ge­he, ru­fe ich Sie noch ein­mal an. Ich ma­che mich jetzt fer­tig.“
    Ich ging zu­rück, leg­te mich hin, starr­te an die De­cke, mach­te mir un­loya­le Ge­dan­ken und über­leg­te, wie ich die mir auf­ge­tra­ge­ne Auf­ga­be aus­füh­ren könn­te.
    Das na­men­lo­se Mäd­chen selbst su­chen? Ob­wohl ich noch nicht ein­mal wuß­te, wo sie war?
    Das fiel mir – wie es in dem al­ten Sprich­wort heißt – nicht ein­mal im Traum ein.
     
     
    Gil­bert trug ihn in west­li­cher Rich­tung aus Ver­dun. Er be­hielt den­sel­ben Kurs bei, den er schon ge­hal­ten hat­te, seit­dem er von Blan­cz aus auf­ge­bro­chen war. Als ihm das klar wur­de und er sich über­leg­te, was der loth­rin­gi­sche Sol­dat ihm er­zählt hat­te – und was dann an­schlie­ßend mit die­sem Sol­da­ten pas­siert war –, schi­en ihm die­se Rich­tung eben­so gut wie je­de an­de­re zu sein.
    Es war kurz vor Son­nen­un­ter­gang, als er sich zu­fäl­lig um­sah und sei­ne Ver­fol­ger be­merk­te. Er zwei­fel­te et­was dar­an, ob er und der Sol­dat von der glei­chen Per­son ge­spro­chen hat­ten; aber ir­gend­wie mach­te das nichts aus. Wenn das Mäd­chen tat­säch­lich in Ver­dun war, wür­de es ge­nau­so un­wahr­schein­lich sein, daß er sie dort fand wie hier, in der of­fe­nen Land­schaft. Da er das of­fe­ne Land der Stadt vor­zog, war er dort, wo er war, bes­ser dran.
    Er be­trach­te­te die Ge­gend, um die grü­nen und brau­nen

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