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Zeitfinsternis

Zeitfinsternis

Titel: Zeitfinsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David S. Garnett
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Flä­chen mit den Platz­angst ein­flö­ßen­den Rui­nen zu ver­glei­chen, aus de­nen Ver­dun be­stand. Er wuß­te zwar so­fort, daß die Rei­ter hin­ter ihm her wa­ren, ver­schnel­ler­te aber sei­ne be­que­me Gang­art nicht. Er war mü­de, und Gil­bert war mü­de. Guy wuß­te ge­nau, daß das Pferd nie­mals in Be­tracht zie­hen wür­de, ei­ne schnel­le­re Gang­art ein­zu­le­gen, selbst wenn er es noch so ein­dring­lich dar­um bit­ten wür­de.
    Sie wa­ren we­gen der Er­eig­nis­se in der Knei­pe hin­ter ihm her: We­gen des To­des des Sol­da­ten und nicht, weil er ge­flo­hen war, oh­ne sei­ne Rech­nung zu be­zah­len. Er ritt nicht schnel­ler, aber auch nicht lang­sa­mer. Er über­ließ es sei­nem Pferd, das Tem­po zu be­stim­men. Wä­re es viel­leicht denk­bar, daß sie ihn gar nicht ver­folg­ten, son­dern an ihm vor­bei wei­ter­rei­ten wür­den? Er wuß­te, daß dies ei­ne ver­geb­li­che Hoff­nung war.
    Konn­te er ih­nen viel­leicht er­klä­ren, daß es nur ein Un­glücks­fall ge­we­sen war? Der Mann war aus­ge­rutscht und in ein of­fe­nes Mes­ser ge­fal­len. Die Ge­schich­te hör­te sich selbst für Sir Guy un­wahr­schein­lich an. Aber so war es doch pas­siert, oder nicht? Es fiel ihm schwer, sich dar­an zu er­in­nern. Es war so, als ver­such­te er, ei­ne ver­schwom­me­ne Ge­stalt in ei­nem dich­ten Ne­bel aus­zu­ma­chen. An­ge­nom­men, Sie wür­den sei­ne Ver­si­on glau­ben – falls sie ihn über­haupt zu Wort kom­men und nicht so­fort um­brin­gen wür­den – wie soll­te er sei­ne Flucht er­klä­ren? Be­wies das nicht sei­ne Schuld? Dut­zen­de von Ide­en, Über­le­gun­gen und Plä­nen zuck­ten durch das Ge­hirn des Saar­län­ders. Nichts da­von half ihm nur im ge­rings­ten. Und die gan­ze Zeit ga­lop­pier­ten die Rei­ter nä­her auf ihn zu. Er konn­te er­ken­nen, daß es fünf wa­ren: Ih­re Um­hän­ge weh­ten hin­ter ih­nen her, und sie wir­bel­ten Staub­wol­ken auf, die sich erst lan­ge, nach­dem sie vor­bei­ge­ritt­ten wa­ren, wie­der setz­ten.
    Soll­te er sich über­haupt nicht um sie küm­mern und so tun, als hät­te er sie nicht ge­se­hen?
    Konn­te er we­nigs­tens ver­su­chen zu flie­hen?
    Wä­re es am bes­ten, wenn er sein Schwert zie­hen und sich ver­tei­di­gen wür­de?
    Sir Guy zog an den Zü­geln, und all­mäh­lich trab­te Gil­bert im­mer lang­sa­mer und blieb dann ste­hen. Schwer­fäl­lig rea­gier­te er auf die Trit­te sei­nes Herrn und dreh­te sich her­um. Hand am Schwert­griff. Tro­ckene Lip­pen. Nas­se Ach­sel­höh­len. Ver­su­che, einen läs­si­gen Ein­druck zu er­we­cken. Gleich wür­de er sich in die Ho­sen ma­chen. Er be­ob­ach­te­te die Rei­ter, die im­mer nä­her ka­men. Als sie sa­hen, daß er an­ge­hal­ten hat­te, wur­den sie et­was lang­sa­mer. Sie wa­ren in­zwi­schen na­he ge­nug, daß der Rit­ter ih­re Ge­sich­ter selbst in der Däm­me­rung er­ken­nen konn­te: grim­mig, mi­li­tä­risch, gna­den­los. Guy be­feuch­te­te sei­ne Lip­pen, so gut es ging, um sich dar­auf vor­zu­be­rei­ten, sie an­zu­ru­fen. Be­vor er da­zu kam, ge­sch­ah es.
    Eben noch trenn­ten ihn nur ein paar Pfer­de­län­gen von den ra­che­durs­ti­gen Loth­rin­gern. Im nächs­ten Mo­ment war er da, zwi­schen dem Rit­ter und sei­nen Ver­fol­gern. Fast ver­sperr­te er die Sicht auf sie.
    Der Dra­che.
    Das war kein ein­ge­bil­de­ter Dra­che aus den Mär­chen, von dem die El­tern ih­ren Kin­dern er­zäh­len, son­dern die­ser hier war echt. Rie­sig groß war er, mit vier di­cken Bei­nen, die sei­nen mas­si­ven grau­en Leib tru­gen. Er hat­te zwei lan­ge, wei­ße Zäh­ne, die von sei­nem Maul fast bis zum Bo­den reich­ten, und da­zwi­schen ein schlan­gen­för­mi­ges Et­was, das aus dem ent­setz­li­chen Ge­sicht des Un­ge­heu­ers wuchs.
    Mit star­ren Au­gen ver­folg­te Sir Guy die Be­we­gun­gen des Dra­chen, des­sen rie­si­ger Kopf zu­erst zu ihm, dann aber zu den fünf Rei­tern hin­sah. Schließ­lich wand­te er sich von ihm ganz ab, dreh­te sich um und setz­te sich – zu­nächst lang­sam, dann mit wach­sen­der Ge­schwin­dig­keit – ge­gen die Loth­rin­ger in Be­we­gung. Die Sol­da­ten folg­ten dem Bei­spiel des Un­ge­heu­ers: Sie dreh­ten

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