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Zeitfinsternis

Zeitfinsternis

Titel: Zeitfinsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David S. Garnett
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war mir al­les klar.
    Es muß­te so aus­se­hen, als wür­de ich et­was tun und nicht ein­fach nur dar­auf war­ten, bis das Mäd­chen ge­fun­den ist. Ver­dun, hat­te Ray­mond ge­sagt, al­so wür­de es Ver­dun sein. Ich hat­te An­ders, den Mann, der vor­her dort ge­ar­bei­tet hat­te, nicht ge­kannt; aber Ken La­wrence, sein Nach­fol­ger, war ein gu­ter Freund… oder viel­mehr ein so gu­ter Freund, wie es die Um­stän­de zulie­ßen. Bei ihm wür­de ich woh­nen. Ent­we­der der Rit­ter aus dem Saar­land oder die Leu­te von Na­po­le­on konn­ten dann für mich das Mäd­chen fin­den, und La­wrence wür­de sie dann von den Be­ob­ach­tern aus über­prü­fen. Dann wür­de ich das Mäd­chen nach un­ten zum Ers­ten brin­gen, und wir wä­ren al­le zu­frie­den. Das heißt –, al­le, auf die es an­kam.
    Mit ein biß­chen Glück wür­de ich schon bald ei­ne Dau­er­stel­lung an der Ober­flä­che be­kom­men. Und das wür­de ,Adieu, Son­ya’ be­deu­ten.
    Ich öff­ne­te die Au­gen, und da stand sie läs­sig und schwang ih­re Bril­le seit­lich vom Kör­per.
    „Oh“, mur­mel­te ich, „grüß dich.“ Ich über­leg­te mir, ob ich es ihr sa­gen oder gleich ge­hen soll­te.
    „Oh“, ahm­te sie mich nach, „grüß dich.“ Ich er­war­te­te, daß sie den großen Schirm an­schal­ten oder zu ih­rem ei­ge­nen Bett ge­hen wür­de. Statt des­sen aber sag­te sie: „Hast du die gan­ze Auf­re­gung ver­schla­fen?“
    Ich blin­zel­te und rieb mir die Au­gen. „Wel­che Auf­re­gung?“
    Sie zuck­te die Ach­seln und be­gann, sich her­um­zu­dre­hen. „Nichts Be­son­de­res. Kro­ko­di­le und Nil­pfer­de, Ele­fan­ten und Lö­wen, halt so das Üb­li­che.“
    „Was?“
    Aber sie hat­te sich her­um­ge­dreht, und so stand ich auf, um Ray­mond an­zu­ru­fen. Ich hät­te ei­gent­lich wis­sen müs­sen, daß er um die­se Zeit nicht mehr im Dienst war, aber er war trotz­dem noch da. Ich hat­te das, was Son­ya ge­sagt hat­te, noch im­mer nicht rich­tig auf­ge­nom­men; wahr­schein­lich dach­te ich, sie ha­be einen Witz ge­macht oder so et­was.
    Be­vor ich spre­chen konn­te, sag­te Ray­mond: „Tut mir leid, daß ich nicht an­ge­ru­fen ha­be. Ich ha­be zwar ge­sagt, ich wür­de mich mel­den, wenn et­was pas­siert, aber es ist so­viel pas­siert…“
    Ich konn­te Son­ya hin­ter mir spü­ren. Sie hat­te das Zim­mer nicht ver­las­sen. „Was denn?“ frag­te ich.
    „Auf der gan­zen Ober­flä­che sind Din­ge er­schie­nen. Wie da­mals die An­dro­iden. Nur die­ses Mal wa­ren es Tie­re. Nas­hör­ner, Schlan­gen, Ele­fan­ten, al­les mög­li­che.“
    Ich konn­te ihn nur noch an­star­ren. Hin­ter mir ging Son­ya weg. So­gar ih­re Schrit­te drück­ten ih­re Ver­ach­tung für mein Un­wis­sen und mei­nen Un­glau­ben aus. „Was ist pas­siert?“ frag­te ich. „Was ha­ben sie an­ge­stellt? Sie kön­nen doch nicht echt ge­we­sen sein. An­dro­iden?“
    „Muß wohl. Ein paar Leu­te sind an Herz­schlag ge­stor­ben. Tau­sen­de sind in ih­rem dump­fen Hirn vor Angst völ­lig durch­ein­an­der.“ Dann sag­te er noch, oh­ne Aus­druck oder Stim­me zu ver­än­dern: „Ich ha­be das weg­ge­schickt, was Sie brau­chen.“
    Nur halb an ihn ge­rich­tet, nick­te ich. Ich wür­de mir das zu­sam­men mit den an­de­ren Din­gen ab­ho­len, die ich für mei­ne Ex­pe­di­ti­on brauch­te. „Sonst noch et­was?“ Ei­ne Rou­ti­ne­fra­ge.
    „Der neue Wäch­ter, der Na­po­le­on XV. zu­ge­teilt war, ist um­ge­bracht wor­den“, sag­te Ray­mond, als ob das nicht im ge­rings­ten wich­tig sei. Nach ein paar Se­kun­den dach­te er wohl, dies sei al­les, denn er schal­te­te das Ge­rät ab.
    La­wrence war tot. Ken La­wrence, mein Freund.
    „Ken La­wrence ist tot“, sag­te ich zu Son­ya, wäh­rend ich in das an­de­re Zim­mer ging. Sie hat­te ihn zwar nicht ge­kannt, aber ich war si­cher, daß ich sei­nen Na­men schon ein­mal er­wähnt hat­te.
    „Ich weiß“, sag­te sie. „Sie ha­ben die Nach­richt durch­ge­ge­ben, wäh­rend ich be­ob­ach­tet ha­be.“
    Das hieß, daß sie wis­sen muß­te, wie es pas­siert war, aber ich frag­te sie nicht da­nach. Ich sag­te nur: „Ich muß nach oben. Auf­trag vom Ers­ten.“
    Zum ers­ten Mal sah sie mich di­rekt an, als such­te

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