Zeitfinsternis
Kissen. Er versucht, es in die richtige Stellung zu bringen. Er zögert und fragt dann:
„Was habe ich in den vergangenen dreißig Stunden gemacht?“
„Du warst draußen“, sagt M ASCHINE .
„Draußen.“ Seine Stimme ist leise, das Wort weder Frage noch Feststellung. „Draußen“, wiederholt er.
Er zieht seine Hand wieder unter dem Kissen hervor; während M ASCHINE da ist, kann er es nicht herausholen. Ist M ASCHINE irgendwann einmal nicht da? Schreib es auf. Seine Finger nämlich haben etwas gefunden, was nur ein Block sein kann, an dem ein Stift befestigt ist.
Es wird Erster klar, daß er draußen gewesen ist – und von draußen muß auch der Schreibblock stammen. Ist es ihm gelungen, ihn hereinzuschmuggeln? Weiß M ASCHINE darüber Bescheid? Und wenn es so ist, kommt es vielleicht daher, daß sie ihn selbst hingelegt hat? War er wirklich dort draußen, oder hat M ASCHINE – in der Vergangenheit – sein Bewußtsein so manipuliert, daß er davon überzeugt ist?
Es gibt wie immer keine Antworten, und er weiß, daß er das nur ,mit der Zeit’ herausfinden wird – was aber auch wieder keineswegs sicher ist.
Was soll er jetzt machen? Nur das Kissen trennt ihn von dem Notizblock. Soll er ihn herausziehen? Wieder die Frage: Weiß M ASCHINE Bescheid?
Und wenn er zurückgeht und berichtet: „Nichts zu berichten“ und M ASCHINE dann sagt, wo er gewesen ist, löscht sie dann die Erinnerung an diesen Ausflug oder nicht? Oder bringt sie ihn dazu, ihr von dem Notizblock zu erzählen, obwohl doch dieses Wissen von ihm selbst kommt und nicht von dem, was M ASCHINE Zukunft sagt?
Er fragt sich, wie M ASCHINE ihn wahrnimmt. Hat sie Sehvermögen und beobachtet ihn über den Schirm? Vielleicht kann sie ihm nur durch Geräusche folgen, oder vielleicht erfaßt sie seine Körperwärme. Merkt sie es, wenn er das Notizbuch herauszieht?
Er läßt seine Hand unter das Kissen gleiten, seine Finger schließen sich um den schmalen Gegenstand und tasten darüber. Er ist klein und paßt in die Handfläche einer Hand. Er zieht ihn heraus und bringt ihn zu seiner Hüfte herunter, wo er ihn sehen kann, ohne seine Augen zu bewegen. Ein Stück weiche Plastikfolie, die gefaltet ist und Seiten enthält wie ein Buch. In die Lücke an seinem Rücken ist ein Stift gesteckt.
M ASCHINE bleibt weiter bewegungslos.
Es gelingt dem Ersten, in dem Versteck, die Hand an den Körper gedrückt, mit dem Daumen den Umschlag des Notizbuches zurückzuschlagen.
Du bist gerade von einem Ausflug zurückgekehrt, der dich aus diesen Räumen herausgeführt hat. Von diesem Ausflug hast du dieses Buch mitgebracht.
Du bist allein hinausgegangen.
Du mußt alles aufschreiben, was M ASCHINE sagt. Etwa so:
10. Juni: Hinausgehen. Notizbuch beschaffen.
M ASCHINE spricht davon, warum ich nichts mehr darüber weiß, daß ich hinausgegangen bin.
M ASCHINE spricht von dem Fortschritt, der bei der Suche nach der Frau von der Oberfläche gemacht wird.
Erster liest es dreimal durch. Nach jeweils ein paar Worten zucken seine Augen zu M ASCHINE . Er fängt an zu schreiben.
11. Juni: Notizbuch gefunden.
M ASCHINE sagt, es sei ein Sprung von dreißig Stunden gewesen.
In diesen dreißig Stunden habe ich die Wohnung verlassen.
M ASCHINE sagt, daß es von meiner Rückkehr nichts zu berichten gibt.
Er starrt die letzten sieben Worte an. Es wird ihm klar, daß er schon weiter als jetzt gewesen ist und auf dem Kissen gelegen haben muß, ohne sich darüber bewußt zu sein, was darunter lag.
Ihm kommt ein anderer Gedanke: Vielleicht hat M ASCHINE bis jetzt das Notizbuch an sich genommen und vielleicht sogar M ASCHINES Vergangenheit gewarnt, so daß die Zukunft verändert wurde.
Möglicherweise gibt es also überhaupt kein Notizbuch.
Ich habe eine Nacht darüber geschlafen, und als ich aufwachte,
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