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Zeitfinsternis

Zeitfinsternis

Titel: Zeitfinsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David S. Garnett
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die Frau sah ihn mit fins­te­ren Bli­cken an.
    „Was wollt ihr denn jetzt schon wie­der von uns?“ frag­te sie.
    „Wir ha­ben nichts mehr, was zu steh­len sich lohnt“, sag­te der Mann.
    Der Saar­län­der sah vom einen zum an­de­ren. Für wen hiel­ten sie ihn? „Ich bin nur ge­kom­men, um zu fra­gen, ob ich hier et­was zu es­sen kau­fen kann“, sag­te er, nur halb lü­gend. „Sonst woll­te ich euch nichts neh­men.“
    „Dann seid Ihr kei­ner von ih­nen?“ frag­te die Frau und mach­te ei­ne Ges­te in ei­ner va­gen Rich­tung mit ih­rem Kopf.
    „Kei­ner von wel­chen?“
    „De­nen aus Flan­dern“, sag­te der Mann.
    Sir Guy schüt­tel­te kurz den Kopf. Flan­dern? „Selbst­ver­ständ­lich nicht.“
    „In die­sem Fall“, sag­te die Frau, „tut es mir sehr leid, daß wir Euch miß­traut ha­ben, und wir ge­ben Euch gern et­was zu es­sen.“
    „Vie­len Dank“, sag­te Guy, als ihn die Frau mit ei­ner Hand­be­we­gung zum Hin­set­zen auf­for­der­te und in ein Ne­ben­zim­mer ging. Der Rit­ter schob sei­ne be­währ­te Klin­ge in die Schei­de und folg­te der Auf­for­de­rung.
    „Ihr müßt uns ver­ge­ben, Herr“, sag­te der Mann. „Aber selbst mei­ne En­kel­toch­ter wur­de von die­sen Teu­feln ge­raubt.“
    Sir Guy schluck­te ner­vös und konn­te nur ni­cken. Er hat­te dar­über na­tür­lich schon Ge­schich­ten ge­hört; aber nie hät­te er ge­dacht, daß sie der Wahr­heit so na­he ka­men. Män­ner aus Flan­dern, die jun­ge Mäd­chen raub­ten – al­so, das war tau­send­mal ver­ab­scheu­ungs­wür­di­ger, als wenn die Loth­rin­ger mit den Frau­en des Saar­lan­des das­sel­be mach­ten!
    „Aber“, sag­te er nach ei­ner Mi­nu­te, „ich war bis­her der Mei­nung, Flan­dern sei vie­le Mei­len von hier ent­fernt, wei­ter noch als Lu­xem­burg. Ha­ben sie et­wa die­ses Land er­obert?“
    „Das mag wohl sein, Herr. Ich weiß es nicht, aber Räu­ber aus die­sem ver­haß­ten Land schwei­fen wei­ter aus als je zu­vor.“
    „Rau­ben sie vie­le Frau­en?“
    „Ich ha­be da­von ge­hört, daß sie das tun. Un­ser Haus ist nicht das ein­zi­ge, das einen sol­chen Ver­lust zu be­kla­gen hat.“
    „Wird et­was un­ter­nom­men, um Eu­re En­ke­lin zu fin­den?“
    „Was kann man da un­ter­neh­men, Herr?“
    „Ich selbst bin auf der Su­che nach ei­ner jun­gen Frau, die kürz­lich hier vor­bei­ge­kom­men sein soll. Ist es mög­lich, daß auch sie nach Flan­dern ge­bracht wor­den ist?“
    „Mei­ner Mei­nung nach ist das mehr als wahr­schein­lich, Herr.“
    „Dann muß ich ihr nach­rei­ten. Ihr müßt mir den Weg zei­gen, und au­ßer­dem müßt Ihr mir ei­ne Be­schrei­bung Eu­rer En­ke­lin ge­ben, falls ich sie fin­den soll­te. Ist es weit?“
    „Ein lan­ger Ritt, Herr. Min­des­tens einen Tag und ei­ne Nacht. Viel­leicht mehr. Si­cher weiß ich es nicht, jetzt nicht mehr.“
    „Dann brau­che ich Pro­vi­ant für un­ter­wegs.“
    „Ja, Herr. Selbst­ver­ständ­lich, Herr.“
     
     
    Ich ging über ei­ne auf­ge­sprun­ge­ne und mit Ab­fall über­sä­te Stra­ße, und im­mer wie­der muß­te ich an das­sel­be den­ken. Ich hoff­te, es wür­de auf­hö­ren: Sal­pe­ter sie­ben, Holz­koh­le fünf, Schwe­fel fünf. Viel­leicht dach­te ich, daß dies das Ge­heim­nis war, wel­ches ich zu hü­ten hat­te, wenn ich je­mals flie­hen müß­te, und daß ich da­mit ,ganz’ Eu­ro­pa er­obern könn­te. Die ein­zi­ge Schwie­rig­keit be­stand nur dar­in, daß ich die­se Sub­stan­zen nur dann er­ken­nen konn­te, wenn ich sie in un­miß­ver­ständ­lich eti­ket­tier­ten Kar­tons, Do­sen oder Töp­fen vor­fand.
    Hier sagt man, daß Wis­sen ei­ne ge­fähr­li­che Sa­che ist. Das stimmt nicht, es sei denn, man kann da­mit et­was an­fan­gen. Ich hät­te nie Schieß­pul­ver her­stel­len kön­nen – oder sonst ir­gend et­was. In Flan­dern hat­ten sie nur des­halb Er­folg ge­habt, weil sie das be­nutz­ten, was sie mit­ge­nom­men hat­ten – Waf­fen, ein paar Ener­gie­ein­hei­ten –, und nicht, weil sie über das Wis­sen ver­füg­ten, et­was her­zu­stel­len. Auf der Ober­flä­che war nichts mehr üb­rig, was ir­gend­wie brauch­bar war. Al­les war ent­we­der weg­ge­bracht, zer­stört, un­ter die Er­de ge­bracht wor­den oder

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