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Zeitfinsternis

Zeitfinsternis

Titel: Zeitfinsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David S. Garnett
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ver­lo­ren. Che­mie­bü­cher und So­lar­bat­te­ri­en; Aspi­rin und Plas­tik­tee­löf­fel. Was nütz­ten auch Tee­löf­fel, wenn es kei­nen Tee mehr gab?
    Ich sah mich nach ei­ner Stel­le um, an der ich ein Pferd be­kom­men konn­te. Ich war vor­her noch nie in Ver­dun ge­we­sen; aber ei­ne Stadt sah aus wie die an­de­re – bis auf die jahr­hun­der­te­al­ten Krie­ger­denk­mä­ler. Ich dach­te, daß selbst dann, wenn es kei­ne Wäch­ter und kei­ne Be­ob­ach­ter mehr gä­be, es Jahr­hun­der­te dau­ern wür­de, bis sich et­was än­der­te. Wenn das über­haupt mög­lich war. Sie wür­den mit ih­ren klein­li­chen Strei­te­rei­en auch dann fort­fah­ren, wenn sie nie­mand mehr da­zu zwin­gen wür­de, sie wür­den ih­re bes­ten Män­ner tö­ten und durch un­kon­trol­lier­te Fort­pflan­zung de­ge­ne­rie­ren. Wahr­schein­lich wür­de Flan­dern sie schon lan­ge vor­her über­rannt ha­ben und sie für im­mer in die­sem düs­te­ren Zeit­al­ter ein­mau­ern. Aber was mach­te das schließ­lich? Mir nichts: Ich wä­re dann nicht mehr da, um mich zu är­gern. War die Er­de nicht dem Un­ter­gang ge­weiht? Konn­ten nicht al­le in Frie­den ster­ben?
    Der­art war­me und auf­mun­tern­de Ide­en gin­gen mir im Kopf her­um, als ich lang­sam durch die Stra­ßen schlen­der­te und nach ei­nem Stall such­te.
    Ich kam am Rat­haus vor­bei, das jetzt der Pa­last war, und frag­te mich, was der Mör­der von La­wrence wohl im Au­gen­blick mach­te.
    End­lich fand ich das Haus, nach dem ich ge­sucht hat­te. Ge­ruch von Pfer­den und Mist, der Duft von Heu. Ich ging hin­ein und sag­te:
    „Ich brau­che ein Pferd.“
    „Da­für bin ich da“, sag­te der Mann.
    Wir han­del­ten, such­ten ei­nes aus, das vier Bei­ne von glei­cher Län­ge hat­te, han­del­ten noch ein biß­chen. Ich kauf­te es und be­zahl­te mit Sil­ber. Sat­tel und Zaum­zeug ex­tra. Der Ver­kauf war schließ­lich ab­ge­schlos­sen, noch mehr Sil­ber wech­selt den Ei­gen­tü­mer. Der Mann geht das Pferd sat­teln. Ich lief wäh­rend­des­sen ge­lang­weilt her­um und schau­te zu­fäl­lig zur Tür, als der Frem­de her­ein­kam, ei­ne Pis­to­le in der Hand.
    Oh­ne zu über­le­gen warf ich mich nach links in ei­ne lee­re Box und zerr­te mei­ne ei­ge­ne Waf­fe her­aus. Ich hat­te sie ge­ra­de er­reicht, als das Holz ver­kohl­te und zu rau­chen be­gann, wo der Strahl des An­kömm­lings es ge­trof­fen hat­te. Ich zog mich wei­ter zu­rück. Das war der Mann, der Ken La­wrence um­ge­bracht hat­te; es konn­te kein an­de­rer sein. Ich wag­te mich nach vor­ne, sprang aus mei­ner De­ckung her­aus und schick­te einen Strahl quer auf die Sil­hou­et­te in der großen Tür. Er hät­te aus­wei­chen müs­sen. Er wich nicht aus. Er starb.
    Mei­ne Au­gen fan­den den Stall­be­sit­zer, der un­ter dem Pferd kau­er­te, das ich ge­ra­de ge­kauft hat­te. Ich hät­te ihn er­schie­ßen kön­nen, aber ich woll­te das Pferd nicht ver­let­zen. Es war nicht sein Feh­ler, daß er Zeu­ge die­ses kur­z­en Kamp­fes ge­we­sen war. Er be­weg­te sich nicht, als ich zu der rau­chen­den Lei­che hin­über­ging. Der Frem­de trug nichts In­ter­essan­tes an sei­nem Kör­per. Ich hob sei­ne Pis­to­le von der Stel­le auf, wo sie hin­ge­flo­gen war und ver­brann­te den To­ten. Es stank.
    Was tun? Wo­her hat­te er ge­wußt, daß ich hier war? Ant­wort: Man hat­te mich ver­folgt. Wo­her hat­te er ge­wußt, daß ich in Ver­dun war? Ant­wort: Je­mand von un­ten hat­te es ihm ge­sagt. Fra­ge: Wer?
    Sein Tod war nicht be­ob­ach­tet wor­den, nicht hier im Stall. Ei­gent­lich soll­te ich das dem Ers­ten mel­den. Es sei denn, er wuß­te es – wuß­te, daß der Mann ge­kom­men war, um mich zu tö­ten. War ich an die Ober­flä­che ge­schickt wor­den, um dort zu ster­ben? Das hör­te sich nicht rich­tig an.
    Ich zog mein Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ge­rät her­aus. Der Mann un­ter dem Pferd wag­te es auf­zu­se­hen, als ich an­fing zu spre­chen, aber er sah schnell wie­der weg. Wenn er die Kühn­heit be­saß, je­man­dem da­von zu er­zäh­len, was sich hier zu­ge­tra­gen hat­te, wer wür­de ihm das glau­ben, der noch sei­ne fünf Sin­ne bei­ein­an­der hat­te? Und selbst wenn es je­mand glaub­te, mach­te es

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