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Zeitfinsternis

Zeitfinsternis

Titel: Zeitfinsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David S. Garnett
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Saar­län­der wuß­te nicht, was er er­war­tet hat­te, aber der Mann sah auch nicht an­ders aus als ir­gend je­mand sonst. Er schi­en nur ein ge­wöhn­li­cher Sol­dat zu sein, ob­wohl sein ein­zi­ges Uni­form­stück ein dun­kel­grü­ner Über­man­tel war.
    Sir Guy be­feuch­te­te sei­ne Lip­pen. „Warum habt Ihr das ge­tan?“ frag­te er ag­gres­siv. Er starr­te hin­ter den Mann, um zu se­hen, ob es noch mehr Wa­chen gab.
    Der Mann blieb ste­hen und run­zel­te die Stirn. „Hier kommt Ihr nicht durch“, sag­te er.
    „Warum nicht?“ sag­te der Rei­ter in ge­nau dem­sel­ben Ton­fall.
    „Der Zu­tritt ist hier ver­bo­ten. Ihr be­tre­tet un­be­fugt flä­mi­sches Ho­heits­ge­biet.“
    „Ich bin nicht un­be­fugt“, sag­te Sir Guy. „Ich ha­be einen Auf­trag…“
    Der Sol­dat biß sich auf die Lip­pe.
    „Ich wer­de er­war­tet, und Ihr dürft mich nicht auf­hal­ten.“
    „Ich darf nicht?“ Der Bo­gen­schüt­ze neig­te sei­nen Kopf zur Sei­te, als lausch­te er nach et­was, aber der ein­ge­leg­te Pfeil ziel­te noch im­mer auf die un­ge­schütz­te Brust des an­de­ren.
    „Nein“, be­ton­te der Rit­ter noch ein­mal. „Es sei denn, Ihr wollt den Zorn eu­rer Zau­be­rer auf Euch zie­hen.“ Fast hät­te er ,Kö­nig’ ge­sagt, hielt sich aber ge­ra­de noch im letz­ten Au­gen­blick zu­rück. Er hat­te nie ge­hört, daß ein flä­mi­scher Mon­arch er­wähnt wor­den wä­re, aber er wuß­te von Dut­zen­den von Zau­be­rern, die dort wohn­ten – und die ge­fürch­te­ter wa­ren als ein simp­ler Kö­nig. „Ihr habt doch si­cher den Be­fehl, mich ein­zu­las­sen.“
    Der Sol­dat schüt­tel­te den Kopf. „Hab’ ich nicht.“
    Sir Guy seufz­te laut. „Laßt mich vor­bei, und wir ver­ges­sen die­sen Zwi­schen­fall. Aber wenn nicht…“ Er zuck­te die Ach­seln.
    Der Grenzwäch­ter schi­en aber noch im­mer nicht über­zeugt.
    „Hört zu: Habt Ihr An­wei­sung, Leu­te drau­ßen zu hal­ten – oder drin­nen?“
    Der Saar­län­der dach­te, daß die­ses Ar­gu­ment die Sa­che er­le­di­gen müß­te, was auch der Fall zu sein schi­en. Der Mann senk­te sei­ne Waf­fe. Sir Guy schick­te mit sei­nen Ab­sät­zen Gil­bert vor­wärts. Er er­reich­te den Mann, ritt an ihm vor­bei. Er war hin­durch.
    „Ich glau­be Euch nicht“, hör­te er den Sol­da­ten sa­gen.
    Guy sah has­tig über die Schul­ter und starr­te die Pfeil­spit­ze an, dann an dem Arm des Man­nes hin­auf bis zu sei­nen Fin­gern, die die straff ge­spann­te Bo­gen­seh­ne fest­hiel­ten. Der Au­gen­blick dau­er­te ewig. Dann han­del­te er oh­ne zu über­le­gen und Heß sich aus dem Sat­tel fal­len, statt ab­zu­stei­gen oder sich zur Sei­te zu leh­nen. In die­sem Au­gen­blick wur­de der Pfeil ab­ge­schos­sen und pfiff an der Stel­le durch die Luft, wo ei­ne hal­be Se­kun­de vor­her noch sei­ne Wir­bel­säu­le ge­we­sen war.
    Guy er­hob sich oh­ne Hast, wisch­te sich den Staub von den Kni­en, zog sein Schwert und ging auf den er­staun­ten Sol­da­ten zu, der zwei oder drei Schrit­te zu­rück­stol­per­te, stieß ihm mit küh­ler Ent­schlos­sen­heit die Klin­ge sau­ber und ge­nau in den Ma­gen und dreh­te sie her­um.
    Da­mit hat­te er in sei­nem Le­ben be­reits zwei Män­ner um­ge­bracht; zwei in eben­so vie­len Ta­gen, ob­wohl er sich viel­leicht dar­auf fürs ers­te nicht viel ein­bil­den konn­te. Er war über­rascht, wie leicht es ging.
    Er wisch­te sein Schwert ab und dach­te, daß die Klin­ge durch das Blut schon bes­ser aus­sah. Er stand ein paar Se­kun­den ge­dan­ken­ver­lo­ren über der Lei­che. Er zog ihr den Man­tel aus, der kaum mit Blut be­spritzt war; glück­li­cher­wei­se hat­te er of­fen­ge­stan­den. Er pack­te den to­ten Kör­per an den Bei­nen und schleif­te ihn von der Stra­ße her­un­ter in ent­ge­gen­ge­setz­ter Rich­tung in den Wald, aus der der Mann ge­kom­men war, als er noch leb­te. Auch den Bo­gen und die bei­den ab­ge­schos­se­nen Pfei­le ließ er ver­schwin­den.
    Er zog den Man­tel des Bo­gen­schüt­zen an, der ihm bis zu den Ober­schen­keln reich­te, und zeig­te da­mit der Welt, daß er ganz of­fen­sicht­lich ein flä­mi­scher Sol­dat war, der mit Fug und Recht durch die­ses Land rei­ten durf­te. Dar­auf­hin be­stieg er

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