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Zeitgenossen - Gemmas Verwandlung (Bd. 1) (German Edition)

Zeitgenossen - Gemmas Verwandlung (Bd. 1) (German Edition)

Titel: Zeitgenossen - Gemmas Verwandlung (Bd. 1) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hope Cavendish
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Orten zum Beispiel als »Witwe Kingsbury mit ihrer jüngeren Schwester« wenigstens für ein paar Tage lang als Frauen leben zu können.
    Ich wusste nicht, ob mir dies von nun an auch alleine gelingen würde, aber mir war klar, dass ich das komfortable Leben, das ich jetzt führte, eben nach wie vor nur als Mann haben konnte.
    Nur als »Sir Gerald Galveston« – wie ich mich mittlerweile nannte – konnte ich mich frei und ungezwungen bewegen, konnte meinem Beruf nachgehen, konnte Pferderennen, Theatervorführungen und Hahnenkämpfe besuchen, auch wenn ich letztere nicht sonderlich ergötzlich fand.
    Gelegentlich wanderte ich abends über die dichtbebaute London Bridge nach Southwark an der Südseite der Themse, um dort im George Inn dem geselligen Treiben oder auch einer Theateraufführung zuzusehen. Manchmal wohnte ich einem Stierkampf oder einer Bärenhatz in Davies Amphitheatre bei, aber rohe Vergnügungen dieser Art bereiteten mir keine große Freude. Die Tiere, die ich tötete, um mich zu ernähren, waren nicht annähernd einer solchen Qual ausgesetzt, wie die Kreaturen in diesem Amphitheater. Bisweilen schlenderte ich aber auch nur an der Themse entlang, um dem Trubel Londons, der zu keiner Tages- oder Nachtzeit abzunehmen schien, zwischenzeitlich ein wenig zu entfliehen.
    Einmal führte mich mein Spaziergang auch nach Islington, in die Gegend, wo Arlingtons Stadthaus stand. Ich weiß nicht, was ich mir davon versprach, vielleicht war ich einfach nur neugierig, zumindest war ich sehr überrascht zu sehen, dass sich nun offenbar ein vornehmes Kaffeehaus darin befand.
    Überhaupt war ich die meiste Zeit zu Fuß unterwegs, obwohl ich mir mittlerweile eine teure Kutsche leisten konnte. Aber oftmals waren viele der engeren Gassen Londons so hoffnungslos mit Wagen, Kutschen und Karren verstopft, dass man manchmal stundenlang im Stau stand.
     
    Mir gefiel es, wieder in London zu leben. Die Stadt schien niemals zu schlafen und bot einem wohlhabenden Edelmann, wie ich ihn jetzt verkörperte, vielerlei Kurzweil. Doch mit der Zeit begann ich meine Freundin Maddy zu vermissen. Zwar hatte ich durch die Arbeit in der Anwaltskammer auch neue Kontakte und Bekanntschaften geschlossen, doch fehlte mir ein Gefährte, dem ich mich voll und ganz anvertrauen konnte.
    Mehr aus Langweile als aus wirklichem Interesse begann ich, nebenbei Geschäfte an der Royal Exchange, der Königlichen Börse von London, zu machen. Offenbar hatte ich ein Händchen dafür, denn binnen eines Jahres hatte ich mein Vermögen vervielfacht.
    Aber auch das bereitete mir nur mäßige Freude. Ich überlegte, ob ich vielleicht wie Maddy eine Zeitlang auf Reisen gehen sollte, als eine Entwicklung eintrat, die meine Pläne änderte: Die Pest hielt Einzug in London.
    Allem Anschein nach war die Pest bereits im Winter von einem niederländischen Schiff eingeschleppt worden und es hatte in den ärmlichen Wohngebieten in der Hafenregion schon erste Pesttote gegeben. Da der Winter aber sehr hart und kalt gewesen war, hatte sich die Seuche zunächst noch nicht so stark ausgebreitet. Der Sommer hingegen war für Londoner Verhältnisse ungewöhnlich heiß und stickig, was die Ansteckungsrate nun massiv in die Höhe schnellen ließ.
    Immer häufiger sah man an Haustüren rote Kreuze angebracht und darunter die Inschrift »Herr, erbarme dich unser«. Diese Häuser waren von der Regierung wegen Pestbefall versiegelt worden und die armen Teufel darin waren nun von der Öffentlichkeit abgeschnitten.
    Charles II. floh schließlich mitsamt seiner Familie und dem ganzen Hofstaat aus London und viele reiche Händler und Handwerker taten es ihm gleich. Die meisten Geschäfte wurden geschlossen und in den einst lebhaften Straßen Londons herrschte nun drückende Stille, nur unterbrochen von läutenden Kirchenglocken und dem Rumpeln der Totenkarren auf dem Pflaster.
     
    Einige Geistliche, Ärzte und Apotheker waren in der Stadt geblieben, um der Seuche entgegenzutreten und dazu entschloss ich mich auch. Die Krankheit konnte mir ohnehin nichts anhaben und vielleicht konnte ich mit meinen heilkundlichen Kenntnissen, die ich mir in all den Jahren weiterhin von Maddy angeeignet hatte, ein wenig helfen.
    Es gab damals jedoch noch kein Heilmittel gegen die Pest. Ich konnte nur meine ganze Hingabe darauf verwenden, das Leiden dieser armen Seelen, die von der Seuche befallen waren, ein bisschen zu mildern.
    Es wurden große Lazarette eingerichtet und Pestärzte zogen durch die Stadt,

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