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Zeitgenossen - Gemmas Verwandlung (Bd. 1) (German Edition)

Zeitgenossen - Gemmas Verwandlung (Bd. 1) (German Edition)

Titel: Zeitgenossen - Gemmas Verwandlung (Bd. 1) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hope Cavendish
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bändigte Arlington das Pferd, zwang es, wieder ruhig zu stehen und wandte sich mir wieder zu.
    Wie hypnotisiert starrte ich ihn an. Es waren über 60 Jahre vergangen, seit ich vor ihm geflohen war, doch plötzlich kam es mir nur wie wenige Tage vor.
    Arlington kam vorsichtig auf mich zu. Ich wich unwillkürlich zurück und spürte die unerträgliche Hitze der nahenden Flammen in meinem Rücken.
    »Was wollt Ihr?«, flüsterte ich heiser.
    »Zunächst einmal dich hier herausbringen«, antwortete Arlington eindringlich. »Ich weiß, du hast viele Fragen, aber wir haben jetzt keine Zeit dafür, also komm schon!«
    Er streckte mir seine Hand entgegen. Ich starrte darauf. Unnützerweise ging mir durch den Kopf, wie kräftig und dennoch langgliedrig seine Finger aussahen. Dann legte ich meine Hand in seine. Er zog mich zu sich auf das Pferd und schlang seinen schweren, klatschnass in Wasser getränkten Wollumhang um uns beide.
    »Kommen wir zu Fuß nicht schneller voran?«, fragte ich mit einem Blick auf den nervösen Hengst.
    »Theoretisch schon«, antwortete Arlington, »doch der Hengst ist ein geeignetes Lasttier für unsere Wasservorräte.« Erst jetzt bemerkte ich die großen, prall gefüllten Ziegenhäute, die Arlington an dem Hengst befestigt hatte und die normalerweise als Weinschläuche dienten. Arlington wendete das Pferd und ritt in eine der Seitenstraßen, die ich bereits ausprobiert hatte.
    »Nein!«, rief ich warnend aus, als wir auf eine scheinbar unüberwindliche Flammenwand zuritten. Doch Arlington trieb den Hengst zu noch mehr Tempo an, zog den nassen Umhang über unsere Köpfe und galoppierte mitten in die Feuersbrunst hinein.
    Voller Panik brauchte ich einen Moment, um zu registrieren, dass wir die nicht sehr breite Flammenwand hinter uns gelassen hatten und Arlington mein Gesicht bereits wieder freigegeben hatte. Doch wir hatten die Gefahr noch nicht überstanden. Arlington hielt auf unserem weiteren Weg noch dreimal an, um den Wollumhang aus den mitgeführten Wasserschläuchen erneut zu benässen, da wir noch wiederholt den Flammen bedenklich nahe kamen.
    Er ritt, sofern es die Straßen zuließen, konsequent in nordwestlicher Richtung und verlangsamte selbst dann das Tempo nicht, als wir das Feuer schon eine Zeitlang hinter uns gelassen hatten.
     
    Wir näherten uns Bloomsbury, als Arlington schließlich ins Schritttempo wechselte und vom Pferd glitt, um nebenher zu laufen. Als ich auch absteigen wollte, hielt er mich davon ab.
    »Nein«, sagte er freundlich aber bestimmt. »Ruh dich noch ein wenig aus. Du hast ja die ganzen Nächte durchgearbeitet.«
    Mit großen Augen sah ich ihn an. Woher wusste er das? Er musste mich bereits eine geraume Zeit lang beobachtet haben. In mir kämpften die widersprüchlichsten Gefühle. Einerseits wollte ich wieder vor ihm fliehen. Andererseits war ich neugierig zu erfahren, warum er mich erneut gerettet hatte. Wiederum war ich auch zornig, weil er mich damals offensichtlich zum Narren gehalten hatte. Und letztendlich war ich tatsächlich auch ziemlich erschöpft, weswegen ich schließlich ohne Widerspruch auf dem Pferd sitzenblieb.
    Nur eine neugierige Frage konnte ich mir dann doch nicht verkneifen: »Und wohin gehen wir jetzt? Warum bringt Ihr mich nicht einfach zu meiner Wohnung?« Wenn er mich schon länger beobachtet hatte, wusste er mit Sicherheit auch, wo ich wohnte.
    Ich hatte mich nicht geirrt. »Es ist gut möglich, dass das Feuer auch bis zum St. James’s Square vordringt«, antwortete er. »Daher bringe ich dich erst mal in mein Haus in Kilburn. Es wird dir vielleicht gefallen. Die Gegend ist recht ländlich und der Kilburn River fließt durch mein Grundstück.«
    Und so setzten wir unseren weiteren Weg schweigend fort.
     
    Arlingtons Haus war ein prachtvoller Tudorbau inmitten eines ausgedehnten Anwesens mit Parkanlagen und kleinem Wäldchen. Doch ich schenkte dem Besitz nicht sehr viel Aufmerksamkeit, weil ich mich unendlich müde fühlte. Es kam mir so vor, als hätte in den vergangenen Wochen meinem Körper etwas entsagt, das ich nun komplett nachholen müsste. Arlington führte mich in ein rustikales, aber dennoch luxuriös eingerichtetes Schlafzimmer und ließ mich allein. Ich legte mich auf das große, weiche Bett und schloss die Augen. Sofort umfing mich eine Ruhe, die ich seit Monaten nicht mehr verspürt hatte.
    Nach ein paar Stunden fühlte ich mich etwas erholter. Ich schlug die Augen auf und betrachtete die mit kunstvollen Schnitzereien

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