Zeitgenossen - Gemmas Verwandlung (Bd. 1) (German Edition)
eventueller Sieg über Miss Winwood und Miss Winwoods zwangsläufig daraus resultierender Tod nun wiederum meine Ehre beleidigt? Immerhin befinden wir uns hier auf meinem Grund und Boden und Miss Winwood ist mein Gast.« Er betrachtete Whitfield mit gefährlich glitzernden Augen.
»Dann steht es Euch selbstverständlich frei, Ancoats zu Kampf herauszufordern«, antwortete Whitfield ungerührt.
»Und wenn das nicht ausreicht?«, fragte Giles unheilvoll. »Schließlich agiert Ancoats mit Eurer Befugnis.«
Whitfield lächelte ihn strahlend an. »Nun, dann dürft Ihr auch mich fordern.«
»Wenn dann jetzt alles geklärt wäre …?«, fragte ich kalt und wandte mich den beiden zu. Whitfield nickte erheitert. Giles sah mich nur stumm mit versteinertem Gesicht an. Schließlich schloss er ergeben die Augen und nickte ebenfalls.
»Gut.« Ich drehte mich zu Ancoats um und wir nahmen gegenüber voneinander Aufstellung. Ancoats betrachtete mich mit blasiertem Gesichtsausdruck. Ich erwiderte seinen Blick konzentriert.
Wir versuchten beide verschiedene Ausfälle, die jeweils ins Leere stießen. Ancoats’ Blick wurde nun ein wenig aufmerksamer, als er bemerkte, mit welcher Geschwindigkeit ich seinen Attacken ausweichen konnte. Er startete einen erneuten Frontalangriff. Ich wich zur Seite aus und wischte ihm mit einer raschen Armbewegung seine Perücke vom Kopf. Seine darunter zum Vorschein kommende Haarpracht erwies sich als äußerst spärlich und stand grotesk von seinem Kopf ab.
Im Hintergrund ließ Whitfield ein vergnügtes Kichern hören. »Gebt es zu, Ancoats, Ihr habt es Euch einfacher vorgestellt!«, rief er fröhlich.
Ancoats ignorierte ihn und umkreiste mich mit verkniffenem Blick. Wachsam drehte ich mich mit und behielt ihn im Auge. Plötzlich sprang er aus dem Stand hoch und stürzte sich auf mich herab. Ich schaffte es nicht, komplett auszuweichen, und so erwischte er mich am Hemdsärmel, riss ihn mit einem Ruck ab und grub seine Reißzähne in meinen Arm. Ich versuchte, den sengenden Schmerz zu ignorieren, riss den Arm mit voller Kraft an mich heran und versetzte Ancoats gleichzeitig mit meinem anderen Arm einen Fausthieb ins Gesicht.
Ancoats taumelte wutschnaubend zurück und machte sofort wieder einen Schritt nach vorne, um mich erneut anzugreifen. Mit einer sichelförmigen Bewegung meines Beines fegte ich seinen Fuß vom Boden und brachte ihn so ins Straucheln. Doch leider hatte er sich blitzschnell wieder aufgerichtet, bevor ich mich auf ihn stürzen konnte.
So ging es eine Zeitlang weiter. Giles’ Rat zufolge, den Charakter eines Gegners zu durchschauen, hatte ich mir Ancoats’ Eitelkeit zunutze gemacht und nach dem Entfernen seiner Perücke auch seine Kostümierung derangiert. Dadurch hatte er einiges von seiner Gelassenheit eingebüßt und griff nun unüberlegter an. Nichtsdestotrotz war es ihm noch zwei weitere Male gelungen, seine Zähne in mein Fleisch zu graben. Die Bisse schmerzten nicht wenig und ich spürte, dass der Kampf langsam ein Ende finden würde. So oder so.
Da bemerkte ich, dass Ancoats erneut Anstalten machte, mich mit einem Sprung von oben zu attackieren. Ich rannte ihm entgegen, sprang in den Handstand, bekam seinen Hals zwischen meinen Beinen zu fassen und schleuderte ihn mit aller Kraft zu Boden. Sofort wirbelte ich hoch, sprang auf seinen Rücken und riss an seinem Kopf.
Es gab ein hässliches Knacken. Ich riss erneut, und die Sache war erledigt.
Ich hatte Ancoats enthauptet.
Ganz entfernt hörte ich von irgendwoher einen rhythmischen Applaus, der offenbar von Whitfield stammte. Ich ließ erschlafft meine Arme sinken und spürte, wie irgendjemand mir Ancoats Kopf aus den Fingern nahm und mich zu einer Bank am Fluss führte. Ich setzte mich hin und starrte mit blindem Blick auf das träge dahinfließende Wasser.
»Seid Ihr nun zufrieden?«, hörte ich Arlingtons Stimme leise im Hintergrund.
»Aber überaus, teurer Freund!«, antwortete Whitfield beglückt. »Wer hätte gedacht, dass unsere kleine Miss Winwood so ein außerordentliches Talent ist. Umso bedauerlicher ist es, dass sie keine Sybaritin sein möchte.«
Das Gespräch wurde fortgeführt, aber ich nahm den Sinn der Worte nicht mehr wahr. Eine eisige Kälte kroch in mir hoch, während ich weiterhin ins Leere starrte.
Ich hatte getötet.
Ich hatte nicht einfach nur meine Nahrung erlegt, sondern ich hatte ein denkendes und fühlendes Wesen getötet, jemanden von meiner Art. Ich hatte ihm den Kopf
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