Zeitgenossen - Gemmas Verwandlung (Bd. 1) (German Edition)
Atlantikküste für sich erschlossen und Frankreich somit die Kontrolle über die Atlantikverschiffung sämtlicher Felle aus den Händen genommen. Dies verschärfte natürlich den Konflikt zwischen England und Frankreich und führte auch zu einigen Disputen zwischen Maddy und Alexandre, die trotz ihrer Liebe zueinander doch auch beide patriotische Gefühle für ihr jeweiliges Heimatland hegten.
Vermehrt stahl ich mich nun abends unbehaglich davon, um auf die Jagd zu gehen, wenn ich Maddy und ihren Mann hitzig darüber debattieren hörte, wessen Land wen übervorteilt hätte. Allerdings waren die beiden am nächsten Morgen meistens wieder ein Herz und eine Seele, weswegen ich mir keine allzu großen Sorgen um ihre Beziehung machte.
Außer meinen nächtlichen Begegnungen mit jenem seltsamen, Aasgeruch verbreitenden Vampir-Wesen, war meine Suche nach anderen Vampiren nicht sonderlich von Erfolg gekrönt. Daher begann ich zu überlegen, dass ich wohl die anderen Kolonien Nordamerikas würde bereisen müssen, wenn ich mit meinen Plänen vorankommen wollte.
Andererseits fühlte ich mich trotz der Konflikte zwischen England und Frankreich mittlerweile in Québec und vor allem bei Maddy und Alexandre so wohl, dass meine Entschlossenheit ins Wanken geriet. Die beiden vermittelten mir so viel Geborgenheit und es tat so gut, wieder so etwas wie ein Zuhause zu haben, in dem ich mich obendrein nicht verstellen musste.
Als mir bewusst wurde, dass ich mein persönliches Glück meinen Plänen, die Sybarites zu bekämpfen, voranstellte, bekam ich ein schlechtes Gewissen. Es war mir zwar nach wie vor wichtig, etwas gegen die Sybarites zu unternehmen, doch die Dringlichkeit dieses Vorhabens schien anlässlich der enormen Hindernisse bei seiner Durchführung und in Anbetracht der Harmonie meiner derzeitigen Lebensumstände zu schwinden. Mir wurde schlagartig klar, dass ich mich gar nicht so sehr von Giles unterschied. Verbittert stellte ich fest, was ich damals in Oxford bei unserem Streit durch meine Selbstgerechtigkeit alles zerstört hatte.
Ungeachtet meines schlechten Gewissens blieb ich dennoch weiter bei Maddy und Alexandre. Maddy und ich führten unsere gelegentlichen nächtlichen Patrouillen fort, trafen jedoch in den nächsten Jahren vorerst nicht mehr auf die seltsamen Vampirwesen und bemerkten auch keine anderen ungewöhnlichen Vorkommnisse.
Erst einige Jahre später, Anno 1680 stießen wir erneut wiederholt auf die eigentümlich riesenhaften Wesen. Eines Nachts beobachteten wir, wie die Gestalt in einem Seitentrakt des Séminaire de Québec, der katholischen Priesterschule, verschwand. Wir liefen um das Gebäude herum und kletterten rasch an einer Seitenwand hoch, um durch die hohen sakralen Fenster einen Blick in das Innere des Gebäudes zu werfen. Wir sahen in einen großen Saal, der von unzähligen Kerzen erleuchtet wurde. Von der Gestalt, die wir verfolgt hatten, war zunächst nichts mehr zu sehen. Stattdessen saßen an sorgfältig aufgereihten Schulbänken etliche sehr elegant gekleidete Männer und Frauen und schienen mit großer Aufmerksamkeit jemanden im vorderen Saalbereich zu lauschen, der von unserer Perspektive aus hinter einer großen Säule verborgen war.
Maddy und ich kletterten weiter nach vorne, um durch eines der vorderen Fenster zu spähen. Und hier offenbarte sich uns nun, was die Aufmerksamkeit der Männer und Frauen beanspruchte: An einem prunkvollen Altar stand ein hochgewachsener, langgliedriger Vampir, dessen elegante Kleidung der des Viscount Whitfield nicht unähnlich war. Vor ihm auf dem Altar lag ein nacktes junges Mädchen, dem er bereits mehrere Bisswunden versetzt hatte und das ihn halb besinnungslos vor Angst anstarrte. Allem Anschein nach erklärte der Vampir seinen lerneifrigen Schülern anhand des Mädchens, wie man einen Menschen auf möglichst langsame und genussreiche Weise aussaugt. An einer Seite des Altars stand mit dem Rücken zu uns das riesenhafte Wesen, das wir verfolgt hatten, in seiner bodenlangen Kutte und fungierte als Wächter der ganzen Veranstaltung.
Mit großem Abscheu und Entsetzen registrierten Maddy und ich, dass wir Zeugen einer Zeremonie der Sybarites de Sang waren. Noch ehe wir überlegen konnten, wie wir uns nun verhalten sollten, schien der riesige Wächter etwas zu bemerken und drehte sich suchend in unsere Richtung. Anscheinend konnte er uns durch die verzierten Fenster nicht erkennen, denn sein Blick irrte weiterhin suchend umher. Es war gut,
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