Zeitgenossen - Gemmas Verwandlung (Bd. 1) (German Edition)
von ihnen beiden nun mehr Tänze mit mir bestreiten dürfe, als sich plötzlich ein dritter Edelmann einschaltete, den ich bereits auf mehreren Bällen gesehen hatte, ohne bislang seinen Namen zu erfahren.
Er hatte sein Haar nur schwach mit einer leichten Fliedernote gepudert, trug einen burgunderfarbenen Überrock mit Goldbrokat und diamantbesetzten Knöpfen zu Kniebundhosen aus nachtblauem Samt und näherte sich unserer debattierenden kleinen Gruppe mit den Worten: »Aber Messieurs! Sich um eine Dame zu streiten, ist zwar sehr ehrenhaft, es aber in ihrem Beisein zu tun, ist äußerst albern!«
Kaum dass er vor uns stand, konnte der ihn umgebende Fliederduft für mich unschwer verbergen, dass es sich bei ihm um einen Vampir handelte. An seinen sich blähenden Nasenflügeln und seinen interessiert aufflackernden Augen merkte ich, dass auch er ihn mir die Artgenossin erkannt hatte.
Er beugte sich mit einem amüsierten Schmunzeln über meine ihm dargereichte Hand und hauchte einen Handkuss darauf. »Mademoiselle de Larchant, Euer Ruf eilt Euch voraus. Gestattet, dass ich mich selbst vorstelle: Armand Rossignol, Marquis de Momboisse.«
Dann wandte er sich wieder Saint-Pol und Villarceaux zu. »Die Messieurs werden einsehen, dass ich Mademoiselle de Larchant unmöglich weiterhin Ihrem unleidlichen Geplänkel aussetzen kann und sie daher selbst zur Tanzfläche führen werde.«
Und so führte er mich zu dem nun einsetzenden Menuett auf die Tanzfläche, indes Saint-Pol und Villarceaux uns verdattert hinterher starrten.
Momboisse musterte mich höchst interessiert, während wir den Schritten des Menuetts folgten. »Wie gefällt Euch der Ball, Monsieur?«, fragte ich mit einem koketten Augenaufschlag.
»Ach, er ist ganz nett«, antwortete er blasiert, »Françoise hat sich an Dekoration und Flair mal wieder selbst übertroffen.« Françoise-Athénaïs de Rochechouart de Mortemart, Marquise de Montespan, war eine der Mätressen des Königs und bekannt dafür, die pompösesten Bälle in ganz Paris zu veranstalten.
»Doch Tanzvergnügen dieser Art langweilen mich«, fuhr Momboisse mit einem Glitzern in den Augen fort. »Ich besuche sie nur, um meinen gesellschaftlichen Verpflichtungen nachzukommen. Lasst uns viel lieber von Euch sprechen.«
»Oh, ich bin doch nur ein bescheidenes Mädchen vom Lande, Monsieur!«, erwiderte ich kichernd.
Momboisse lachte kurz auf. »Bezaubernd, wie schamlos Ihr lügen könnt! Ich habe schon desöfteren mit großem Vergnügen im Mercure Galant von den kapriziösen Eskapaden der Marquise de Larchant und ihrer Freundin, der Marquise de Fontainebleau, gelesen. Und dass Ihr Euch nun auch noch als Artgenossin offenbart, vergrößert mein Entzücken umso mehr! Ist Eure Freundin heute Abend auch hier?«
Da ich wusste, dass er Maddy ohnehin schnell aufspüren konnte, wies ich zum anderen Ende des Ballsaals, wo Maddy in heitere Plaudereien mit einer Schar Verehrer vertieft war.
Momboisse sah interessiert in die Richtung, in die ich gezeigt hatte. »Ich nehme an, sie ist auch eine Artgenossin?«, fragte er beiläufig.
»Ja, Monsieur«, antwortete ich lächelnd, da er es sowieso herausfinden würde.
»Und was verschlägt zwei so charmante junge Damen in unsere sündige Hauptstadt?«, wollte er leichthin wissen.
Ich ahnte schon, dass er auf etwas Bestimmtes hinaus wollte, daher schenkte ich ihm ein strahlendes Lächeln und antwortete auf die Art und Weise, die ich nach unserer Ankunft in Paris mit Maddy besprochen hatte: »Das Vergnügen natürlich, Monsieur! Denn wer könnte der Sünde widerstehen, wenn sie sich in so einer verlockenden Vielfalt an Versuchungen präsentiert?«
Momboisse zeigte mir ebenfalls ein breites Lächeln, welches seine Augen jedoch nicht erreichte. »Sagt an, Mademoiselle, wie lange seid Ihr und Madame de Fontainebleau eigentlich schon Artgenossinnen von uns und wie kam es dazu?«
Nun kam er also zur Sache. »Oh, knapp ein Jahr Monsieur«, log ich. »Wir lebten damals noch in Fontainebleau, als ein vorbeireisender Unbekannter uns beide in seinen Bann schlug. Wir hatten beide ja noch nichts von der Welt gesehen, wie konnten wir da seinem Charme widerstehen? Als er uns dann die betörenden Möglichkeiten der Unsterblichkeit eröffnete, war es um uns beide geschehen. Ihr seht ein, dass von da an Fontainebleau ein wenig zu klein für uns war. Und so zogen wir nach Paris.«
Momboisse sah mich stirnrunzelnd an. »Und dieser Reisende hat Euch nie seinen Namen
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