Zeitgenossen - Gemmas Verwandlung (Bd. 1) (German Edition)
verraten?«
»Nein, nie«, antwortete ich. »Das machte ihn ja so geheimnisvoll.« Dann kicherte ich naiv. Es konnte nicht schaden, wenn Momboisse mich für ein wenig einfältig hielt.
Und wie erwartet brachte er nunmehr endlich zur Sprache, was ich, sobald ich ihn sah, vermutet hatte: »Wenn Ihr und Madame de Fontainebleau also noch gar nicht allzu lange das Vergnügen unserer Artgenossenschaft teilt, habt Ihr da eigentlich schon einmal etwas von den Sybarites de Sang gehört?«
Ich sah ihn ahnungslos an. »Den ... wie? Ich fürchte nicht.« Dann klopfte ich ihm schelmisch mit meinem Fächer auf den Arm und begann wieder zu kichern. »Monsieur, das ist doch bestimmt sicher etwas ganz Verdorbenes!«
Da das Menuett zu Ende war, beugte er sich formvollendet zu einem Handkuss über meine Hand und sah mich mit durchdringendem Blick an. »Mademoiselle, es wird Eure kühnsten Erwartungen übertreffen.«
Er führte mich an meinen Platz zurück und verabschiedete sich mit dem Versprechen, Maddy und mich demnächst aufzusuchen und uns mehr über die Sybarites de Sang zu verraten.
Nachdem er in der Menge verschwunden war, sah ich mich suchend nach Maddy um. Sie hatte mich offenbar die ganze Zeit unauffällig beobachtet und machte sich daher, als sie meinen Blick auffing, von ihren Verehrern los und schlenderte zu mir herüber.
Wir setzten uns auf eine Ottomane nahe der Musikkapelle und gaben vor, die Tanzenden zu beobachten, während wir uns für die anderen unhörbar unterhielten.
»Es war einer von ihnen, nicht wahr?«, eröffnete Maddy das Gespräch.
»Ja«, antwortete ich ruhig. Wir beide hatten damit gerechnet, dass es nur eine Frage der Zeit sein würde, bis wir in Paris auf Sybarites stoßen und diese mit uns Kontakt aufnehmen würden.
»Was hast du ihm erzählt?«, fragte Maddy.
»Das, was wir abgesprochen haben«, entgegnete ich.
Maddy lächelte zufrieden. »Er hält uns also für unbedarfte Frischlinge?«
»Allem Anschein nach. Er wird uns dann wohl in den nächsten Tagen besuchen und uns auffordern, uns ihnen anzuschließen.«
Sie sah mich ernst an. »Bist du bereit, dich darauf einzulassen?«
Ich nickte grimmig. »Uns wird nichts anderes übrigbleiben, als uns zu Schein mit ihnen einzulassen. Wir brauchen mehr Informationen, wenn wir etwas gegen sie unternehmen wollen. Und die erhalten wir nur, wenn wir uns ihnen anschließen.«
Inzwischen war uns beiden die Lust an dem Ball vergangen und so verabschiedeten wir uns von unseren Begleitern und fuhren nach Hause.
Die nächsten zwei Wochen verliefen recht ruhig, und noch ehe der Marquis de Momboisse uns mit seinem Besuch beehrte, stellte sich bei uns am Place des Victoires ein anderer und bisher unerwarteter Gast ein. Ich war gerade dabei, im Grünen Salon ein Blumenbouquet neu zu arrangieren und Maddy war auf ihrer Lieblings-Chaiselongue in ein Buch vertieft, als Jean-Marc eintrat und uns einen Besucher meldete, der mit einem Begleiter unten in der Eingangshalle wartete: Don Francisco de Alvarellos.
Maddy sah mich nervös an. »Hast du ihm inzwischen geschrieben, dass wir keine Edel- Männer sind?«
Zerknirscht schüttelte ich den Kopf. »Ich habe ihm nur mitgeteilt, dass er Gerald Galveston unter dieser Adresse erreicht, damit wir uns nicht aus den Augen verlieren.«
»Na, schön«, Maddy stand entschlossen auf und legte ihr Buch beiseite. »Dann müssen wir da jetzt halt durch.«
»Nein. Bitte warte nebenan und lass mich erst alleine mit ihm sprechen«, bat ich sie, »schließlich bin ich es, die ihn sozusagen ›rekrutiert‹ hat.«
»Gut«, willigte Maddy zögernd ein, »aber ich bin in Hörweite, also ruf, wenn du mich brauchst!«
Sie verschwand im Nachbarsalon und ich wandte mich an den wartenden Jean-Marc. »Hat der Begleiter von Don Francisco seinen Namen auch genannt?«
»Er sagte, sein Name sei Don Miguel de Horcajo.«
Ich atmete tief durch. Der zweite Mitstreiter. Ich würde meine Worte mit Bedacht wählen müssen, um die beiden nicht zu vergraulen. »Gut. Schick die beiden bitte herauf!«, bat ich Jean-Marc. Dann stellte ich mich ans Fenster und sah nachdenklich heraus.
Kurz darauf hörte ich, wie die Tür geöffnet wurde, und vernahm die sonore Stimme Don Franciscos. »Ähm, Verzeihung, Mademoiselle, wir wollten eigentlich zu Monsieur Galveston. Ist er Euer Hausgast?«
Ich drehte mich langsam um und erblickte Don Francisco, der mich zunächst irritiert, dann verblüfft und schließlich zornig ansah.
»Aber das ist doch …!
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