Zeitgenossen - Gemmas Verwandlung (Bd. 1) (German Edition)
dass er sich nicht rühren konnte, ließ ich ihn liegen und wandte mich gemeinsam mit den anderen den restlichen Boudoirs zu, in denen wir überall ähnliche Szenarien vorfanden. So war es für uns auch nur logisch, dass wir mit jenen Kunden dort auch ganz genauso verfuhren.
Nachdem endlich alle Kinder in Sicherheit gebracht und alle Kutschen nach Fontainebleau aufgebrochen waren, einigten wir uns darauf, dass Francisco und Don Miguel sich den im Jardin d’Enfants eingesperrten Leuten widmeten. Maddy und ich löschten indes unseren Durst an den acht Kunden, die unter dem Einfluss unseres Giftes zuckend in den Boudoirs lagen. Da Maddy und ich uns nicht so recht einigen konnten, wer nun wen von ihnen übernehmen sollte, naschten wir abwechselnd mal an dem einen, mal an dem anderen, wohl wissend, dass wir ihnen damit womöglich nur einen Teil des Grauens bereiteten, welches sie so vielen Kindern gebracht hatten.
Es war schon spät in der Nacht, als wir alle unseren Durst schließlich gelöscht hatten. Unser aller Zorn über die unsäglichen Gräueltaten, die in diesem Haus stattgefunden hatten, hatte einen regelrechten Blutrausch in uns ausgelöst. Nachdem dieser mittlerweile abgeflaut war, legte sich eine eisige Stille über das Haus.
Wir machten uns daran aufzuräumen. Die Leichen entsorgten wir in den unterirdischen Steinbrüchen von Paris, dann säuberten wir die Räume, so gut es ging. Die weiteren Kunden, die in den nächsten Tagen dieses Haus vielleicht noch aufsuchen würden, sollten es verlassen vorfinden, ohne einen Hinweis darauf, was mit den Insassen geschehen war.
Anschließend brachten wir die gefesselten Cousinen zu uns nach Hause und sperrten sie in die vorbereiteten separaten Kellerräume.
Maddy und ich verbrannten unsere blutbesudelten Kleider im Kamin. Wir bereuten nicht einen Tropfen Blut, denn wir bei dieser Aktion vergossen hatten, trotzdem benötigten wir keine Erinnerung an unsere Taten. Sie hatten sich uns ohnehin unauflöslich in unser Gedächtnis gebrannt.
Erschöpft sanken wir in unsere Sessel und starrten eine ganze Weile lang stumm ins Feuer.
»Ich hätte nicht gedacht, dass es so einfach sein würde, Menschen zu töten«, brach Maddy schließlich nach einer Weile das Schweigen.
»Ich auch nicht«, stimmte ich ihr bitter zu. Wir beide hatten damals in Neufrankreich schon Menschen im Kampf getötet, aber dieses Blutbad, dass wir vor wenigen Stunden angerichtet hatten, stellte für uns beide eine neue Dimension der Gewalt dar.
»Diese Leute waren zwar nicht mehr das, was ich als Menschen oder menschlich bezeichnen würde, aber wird es dadurch besser?«, fragte Maddy nachdenklich. »Haben wir uns nicht als ebensolche Bestien erwiesen, wie diese Leute es waren?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete ich nach einer Weile bedrückt. »Ich weiß nur, dass ich nicht anders handeln konnte.«
Am nächsten Morgen kamen Francisco und Don Miguel zu uns, um die gestrigen Geschehnisse und weitere Vorgehensweise zu besprechen.
Francisco sah mich besorgt an. »Wie geht es dir?«, fragte er mich und strich mir dabei eine Haarsträhne mit einer so zärtlichen Geste aus dem Gesicht, dass ich davon fast weiche Knie bekommen hätte. Wir verstellten uns nicht mehr vor Maddy und Don Miguel, da die beiden ohnehin ahnten, dass aus unserem ursprünglichen Theaterspiel inzwischen Ernst geworden war.
»Wie soll es einem schon gehen, wenn man seine bestialischen Instinkte entdeckt hat?«, gab ich die Frage spöttisch zurück.
»Wir alle haben diese Instinkte«, meldete sich daraufhin Don Miguel ernst zu Wort, »aber wir haben überdies auch unseren Willen, der darüber entscheidet, ob wir uns von diesen Instinkten beherrschen lassen oder nicht.«
»Oh, wie weise!«, entgegnete ich schnippisch. »Hat der Herr vielleicht auch eine Lösung dafür, wie wir diese Instinkte dann bei den Sybarites unterdrücken sollen, wenn dort doch von uns erwartet wird, dass wir sie geradezu in vollen Zügen ausleben?«
»Du weißt, wie Miguel es gemeint hat«, kam Maddy ihm zu Hilfe. »Und Miguel weiß auch, dass die schwierigste Zeit erst noch vor uns liegt, wenn wir uns bei den Sybarites an unschuldigen Menschen vergreifen müssen.«
Mir drehte sich der Magen um, wenn ich nur daran dachte. Francisco sah es mir an und nahm mich in den Arm. »Willst Du es dir noch einmal überlegen?«, fragte er leise.
»Nein«, erklärte ich. »Wir haben diesen Weg beschritten und wir werden ihn zu Ende gehen müssen.«
»Wie
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