Zeitgenossen - Gemmas Verwandlung (Bd. 1) (German Edition)
haben sich denn die beiden ›Gastgeschenke‹ eingelebt?«, fragte Don Miguel, um das Gespräch in unverfänglichere Bahnen zu lenken.
»Sie haben sich noch nicht so ganz mit ihrem Schicksal abgefunden«, antwortete Maddy. »Allerdings sind unsere Kellerräume so tief gelegen und isoliert genug, dass niemand ihr Gezeter und ihre empörten Rufe hört.«
»Wir müssen uns noch etwas einfallen lassen, wie wir sie dann den Sybarites präsentieren«, überlegte Francisco. »Sie sind zwar Jungfrauen und von adliger Abstammung, aber sobald sie den Mund aufmachen, wird jedermann merken, dass sie vielleicht nicht ganz so unschuldig sind, wie die Sybarites es gerne hätten.«
»Hierfür habe ich mir schon etwas überlegt«, erzählte Maddy lächelnd. »Wenn ich ihnen zum entsprechenden Zeitpunkt die exakte Dosis Schlafmohn verabreiche, werden sie dadurch ziemlich apathisch und daher so fügsam sein wie die Lämmchen.«
»Eine gute Idee!«, lobte Don Miguel sie mit anerkennendem Blick. »So bleibt nur noch ein kleines aber nicht unwesentliches Problem: Wir brauchen für Gemma und dich noch zwei Gastgeschenke, und es sind bereits fast zwei Wochen der Ein-Monats-Frist, die Momboisse uns gesetzt hat, vergangen.«
»Das schaffen wir schon«, erwiderte Francisco zuversichtlich. »Wenn wir keine zwei Wochen benötigt haben, um unsere Gastgeschenke aufzutreiben, werden wir auch nicht so viel Zeit benötigen, um welche für Gemma und Maddy zu finden. Wir werden einfach ab heute Nacht wieder in den entsprechenden Vierteln patrouillieren und uns umsehen.«
Im Anschluss an unsere Besprechung gingen wir alle gemeinsam ein wenig im Jardin des Tuileries spazieren. Da dort immer ein recht geselliges Treiben herrschte, wollten Maddy und ich überprüfen, wie wir unseren neu geweckten Durst auf menschliches Blut kontrollieren konnten, damit wir bei unseren zukünftigen abendlichen Patrouillen nicht aus der Rolle fielen. Angesichts des schönen Wetters waren im Jardin des Tuileries tatsächlich viele Spaziergänger unterwegs und Maddy und ich hielten einen kurzen Moment inne, um der berauschenden Vielfalt verführerischer Düfte Herr zu werden. Den ersten Impuls, jedem Einzelnen von ihnen an die Kehle zu springen, konnten wir aber nach einiger Zeit gut bezwingen und so mischten wir uns unter die Leute und trainierten unsere Beherrschung.
Noch am selben Nachmittag erhielt ich Kenntnis von einer Angelegenheit, die uns bei unserer »Gastgeschenk«-Suche neue Möglichkeiten offenbarte. Ich sprach mit Jean-Marc darüber, dass ich beabsichtigte, ihn in den nächsten Tagen nach Fontainebleau zu schicken, damit er auf Gut Larchant nachschauen konnte, ob sich die Kinder dort gut einlebten.
Auch Jean-Marcs Anwesenheit hatte aufgrund des reizvollen Duftes seines Blutes eine bislang ungewohnte Wirkung auf mich. Doch dank unseres vormittäglichen Spazierganges konnte ich diese Wirkung inzwischen schon recht gut ignorieren.
In unserem Gespräch ließen Jean-Marc und ich die ganze unleidige Affäre des Le Terrain de Jeux noch einmal Revue passieren und Jean-Marc bemerkte, dass er solch unmenschlichem Verhalten noch nie begegnet sei, obwohl er auch bei seinen Studienkollegen die eine oder andere Grausamkeit erlebt habe. Dies ließ mich aufhorchen.
»Wieso das denn?«, fragte ich ihn. »Ich dachte, an der Sorbonne geht es sehr gesittet zu?«
»Das tut es auch«, beeilte er sich sofort mir zu versichern. »Allerdings gibt es unter meinen Kommilitonen ein paar adlige junge Herren, die anscheinend mit großem Vergnügen ihre Diener quälen. Zumindest rühmen sie sich regelmäßig damit.«
»Und wer sind diese jungen Herren?« hakte ich interessiert nach.
»Vor allem Diogène und Remont de Crabouillet, Zwillingsbrüder und Söhne des Marquis de Crabouillet. Sie berichten oft, wie sie ihre Bediensteten wegen Nichtigkeiten prügeln, ihnen zum Spaß das Essen verwehren, nur um zu sehen, wie lange sie es aushalten, und derlei.«
Ich war schockiert. »Jean-Marc, warum hast du mir nie davon erzählt?«
»Ich wusste nicht, ob ich Euch damit behelligen soll«, antwortete er verlegen.
»Du solltest aber doch mittlerweile wissen, dass du mich mit allem behelligen darfst, das dich beschäftigt!«, entgegnete ich vorwurfsvoll.
»Tut mir leid, Mademoiselle«, entschuldigte er sich zerknirscht.
»Nun gut! Auf jeden Fall werden Maddy und ich uns diese Zwillinge mal genauer anschauen«, verkündete ich entschlossen.
Tatsächlich waren es nicht nur Maddy
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