Zeitgenossen - Gemmas Verwandlung (Bd. 1) (German Edition)
und ich, die dem prunkvollen Stadtpalast der Familie de Crabouillet im Marais-Viertel nach Einbruch der Dunkelheit einen heimlichen Besuch abstatteten. Francisco und Don Miguel begleiteten uns. Da wir nicht beabsichtigten, offiziell in Erscheinung zu treten, kletterten wir im Dunkeln die Fassade hinauf, um einen Blick durch die zahlreichen Fenster zu werfen. Schon bald entdeckten wir die Zwillinge in ihren Gemächern. Sie glichen einander wie ein Ei dem anderen. Sie waren etwa 18 Jahre alt, groß gewachsen und schlaksig und hatten bräunliches Haar, welches ihnen in ungestümen Locken vom Kopf abstand. Einer von beiden – unmöglich zu sagen, ob es nun Diogène oder Remont war – lag hingelümmelt auf einer Chaiselongue und blätterte gelangweilt in einem Magazin, der andere übte Tonleitern auf einem Spinett. Francisco öffnete lautlos das Fenster, durch das er gemeinsam mit mir in das Zimmer hereinschaute, einen Spaltbreit und schnupperte. Ich sog ebenfalls den Duft der beiden jungen Männer ein und erkannte, dass sie noch »Jungfrauen« waren. Angesichts der Dinge, die mir Jean-Marc über die Zwillinge erzählte hatte, erstaunte mich dies ein wenig.
Doch nur wenige Minuten später geschah etwas, das mich die beiden durchaus als »würdige Gastgeschenke« für Maddy und mich in Betracht ziehen ließ.
Ein Dienstmädchen betrat mit verängstigtem Gesichtsausdruck das Zimmer. »Die Messieurs haben geläutet?«, fragte sie mit zittriger Stimme.
»Ich nicht«, antwortete der Zwilling am Spinett, ohne sein Tonleiter-Spiel zu unterbrechen. »Hast du vielleicht geläutet, Remont?«
Remont hatte derweil schon sein Magazin fallenlassen und sprang jetzt auf, um die Tür, die das Mädchen einen Spaltbreit offen gelassen hatte, zuzuknallen. »Allerdings habe ich das! Und du erscheinst reichlich spät, Julienne!«
Unwillkürlich wich Julienne einen Schritt zurück und sah eingeschüchtert zu Boden. »Es …, es tut mir leid, Monsieur! Es lag nicht in meiner Absicht.«
Remont lächelte sie süffisant an und auch Diogène unterbrach nun sein Spiel, um den beiden amüsiert zuzuschauen.
»Du weißt, dass ich dich dafür bestrafen muss, Julienne, nicht wahr?«, erklärte Remont in fast lieblichem Singsang und griff nach einer Reitgerte.
Augenblicklich brach Julienne in Tränen aus. »Oh, bitte nein, Monsieur! Bitte! Ich werde auch alles tun, was Ihr wünscht!«
In dem Moment trat Diogène von hinten an sie heran und riss ihr mit einem Ruck die Kleider herunter. Auf der blassen Haut ihres Rückens traten deutlich etliche schlecht verheilte und verkrustete Striemen zutage, die davon zeugten, dass sie schon einige »Bestrafungen« über sich hatte ergehen lassen müssen.
Ich wechselte einen wütenden Blick mit Francisco und bemerkte, wie Maddy am benachbarten Fenster einen unterdrückten Laut der Empörung ausstieß.
Julienne sank nun in die Knie und wimmerte vor Angst. Unsanft riss Remont sie wieder hoch. »Du tust wirklich alles , was wir wünschen?«
Das Mädchen nickte mit tränenüberströmtem Gesicht.
»Fein«, sagte Remont mit diabolischem Grinsen. »Du kannst die Anzahl deiner Schläge diesmal reduzieren, indem du unsere Füße säuberst …« Ein Hauch von Hoffnung stahl sich auf Juliennes Gesicht. »… mit Deiner Zunge«, ergänzte Remont heiter und Juliennes Erleichterung wandelte sich in Entsetzen, während Diogène zustimmend lachte.
»Das reicht«, erklärte ich entschlossen und streckte eine Hand nach Francisco aus. »Gib mir deinen Mantel!«
Francisco sah mich etwas überrascht an, zog dann aber seinen Mantel aus und reichte ihn mir, ohne zu fragen.
»Wir treffen uns bei uns zu Hause«, verkündete ich, stürmte in das Zimmer, hüllte Julienne in Franciscos Mantel und sprang wieder heraus, ehe das Mädchen oder die Zwillinge wussten, wie ihnen geschah.
Die Gemächer der Zwillinge lagen im zweiten Stock. Dennoch war es natürlich kein Problem für mich, mit Julienne im Arm sanft im Garten zu landen, was jedoch ihren Schreck vorerst nicht minderte. »Vertrau mir«, sagte ich ruhig und raste zu uns nach Hause. Binnen weniger Minuten waren Maddy, Francisco und Don Miguel neben mir und nur einen kurzen Moment später kamen wir bei uns zu Hause an. Ich übergab Julienne meiner Kammerzofe mit der Bitte, ihr Kleider zu besorgen und sie dann zu uns in den Blauen Salon herauf zu schicken.
In der Zwischenzeit erklärten mir Maddy, Francisco und Don Miguel, wie die Zwillinge auf meine »Entführung« Juliennes
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