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Zeitgenossen - Kampf gegen die Sybarites (Bd. 2) (German Edition)

Zeitgenossen - Kampf gegen die Sybarites (Bd. 2) (German Edition)

Titel: Zeitgenossen - Kampf gegen die Sybarites (Bd. 2) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hope Cavendish
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war zunächst skeptisch, ob ich in der Lage wäre, meine Ansichten zu Papier zu bringen, doch Joseph Johnson, Marys Verleger und einer der Gründer des Analytical Review , schlug mir vor, es einfach mal zu versuchen.
    Mary führte mich auch in den Blue Stockings Circle ein, einer Gruppe von Autorinnen, Künstlerinnen und anderen Frauen, die sich sozial engagierten. Die Gruppe lud in unregelmäßigen Abständen zu politischen und literarischen Diskussionen und Vorträgen ein und setzte sich für ein Recht der Frauen auf Bildung ein. Die Frauen, die dem Zirkel beitraten, unterstützten sich gegenseitig in allen privaten und gesellschaftlichen Belangen.
     
    Gelegentlich fragte ich mich, wie es Francisco gerade gehen mochte. Wir hatten den Kontakt zueinander nun schon vor so langer Zeit verloren und ich vermisste ihn als Freund. Dass meine Gefühle für ihn nie so stark gewesen waren wie für Giles, war mir mittlerweile klar, doch damals war ich nicht imstande gewesen, dies zu erkennen. Ich fragte mich, ob er wohl Verständnis dafür aufbringen würde, dass ich inzwischen mit Giles zusammenlebte. Auch wenn es mir von Giles’ Seite wiederum manchmal etwas an Verständnis mangelte.
    So spottete er zum Beispiel desöfteren milde über meine von Mary angeregten Bestrebungen, mich für die Rechte der Frau einzusetzen und kritische Artikel darüber zu verfassen. »Du scheinst auch nur so richtig glücklich zu sein, wenn du einen Kampf ausfechten kannst, oder meine Liebe?«, stichelte er amüsiert. »Erst mussten die Sybarites bekämpft werden, dann die Missstände in der französischen Gesellschaft und jetzt sind es die armen Männer.«
    »Die armen Männer!«, wiederholte ich entrüstet. »Den Männern steht die Welt doch offen. Sie dürfen reisen, studieren, regieren. Und was dürfen die Frauen? Nichts von alledem!«
    »Nun, wenn mich nicht alles täuscht, meine Teuerste«, entgegnete Giles schelmisch lächelnd und zog mich an sich, »bist du schon sehr viel herumgereist und hast auch schon recht lange und ausgiebig studiert. Und wenn du auch nicht dieses Land regierst, so regierst du doch mein Universum.«
    Gegen meinen Willen musste ich lachen. »Als ob du in deinem Universum irgendjemand anderen regieren lassen würdest als dich selbst.« Dann wurde ich wieder ernst. »Und wie du sehr wohl weißt, war es mir nur möglich zu reisen und zu studieren, indem ich mich als Mann ausgegeben habe. Die Möglichkeiten, die ich ergriffen, und die Freiheiten, die ich mir herausgenommen habe, haben nur die allerwenigsten Frauen. Hältst du das für gerecht? Sind Frauen denn weniger wert als Männer?«
    Giles ließ sich auf einen Sessel fallen und zog mich auf seinen Schoß. »Natürlich sind sie das nicht, mein Schatz«, erwiderte er und begann, sanfte Küsse auf meinem Hals zu verteilen, »sie sind sogar um einiges kostbarer als die Männer. Ich kenne keinen einzigen Kerl, der so einen bezaubernden Nackenschwung hat wie du.«
    »Du bist unmöglich!«, murrte ich, während sich ein vertrautes Kribbeln in meiner Körpermitte ausbreitete. »Man kann mit dir kein vernünftiges Gespräch führen.«
    »Stimmt«, gab mir Giles ohne Umschweife recht und versiegelte meine Lippen mit einem fordernden Kuss, der mir umgehend die Hitze in sämtliche Gliedmaßen trieb.
     
    Obgleich Giles mein Engagement für die Gleichberechtigung belächelte, wurde mir dieses Thema zunehmend wichtiger. Dass den Frauen der Zugang zu Bildung nach wie vor verwehrt blieb, war ja nicht der einzige Missstand. Ebenso wenig besaßen sie ein politisches Wahlrecht, durften eigenständig ohne die Vormundschaft eines Gatten oder Vaters Geschäfte tätigen, ein öffentliches Amt bekleiden und erhielten auch nicht den gleichen Lohn für die gleiche Arbeit. Mary Wollstonecraft lag vor allem der Aspekt der Bildung sehr am Herzen, weil er ihrer Ansicht nach der Schlüssel zu den weiteren Freiheiten war und ich gab ihr uneingeschränkt Recht.
    Doch während sie in ihren feministischen Ansichten auch weiterhin unerschütterlich war, so wurde sie doch über den Umstand, dass Gilbert Imlay, der Vater ihrer kleinen Tochter Fanny, sie nicht ehelichen wollte, immer deprimierter. Wir führten oft lange Gespräche darüber, doch nichts vermochte sie in dieser Hinsicht aufzumuntern. Anfang Oktober versuchte sie sogar, sich deswegen umzubringen, indem sie von der Putney Bridge in die Themse sprang. Gottseidank konnte sie gerettet werden, und als ich davon erfuhr, suchte ich sie sofort

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