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Zeitgenossen - Kampf gegen die Sybarites (Bd. 2) (German Edition)

Zeitgenossen - Kampf gegen die Sybarites (Bd. 2) (German Edition)

Titel: Zeitgenossen - Kampf gegen die Sybarites (Bd. 2) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hope Cavendish
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hundert Jahre vergangen, seit ich das letzte Mal in London oder überhaupt in England gewesen war. Hier herrschte inzwischen schon seit dem Ende des 17. Jahrhunderts eine konstitutionelle Monarchie, das heißt, die Macht des Königs war durch eine Verfassung stark eingeschränkt und Gesetzgebung und Regierung wurden stattdessen durch das Parlament wahrgenommen. Auf dem Thron saß George III., der von einer schweren Geisteskrankheit gezeichnet war, was der derzeitige Premierminister William Pitt dazu nutzte, seine Regierungsgeschäfte weitestgehend ohne Rücksprache mit dem Königshaus durchzuführen.
    Fasziniert war ich davon, wie sehr sich London in all den Jahren verändert hat. Die damals durch den Großen Brand zerstörte Saint Paul's Cathedral war von dem Architekten Christopher Wren wieder aufgebaut worden und erschien mir mit ihren großen Hallen, der imposanten Kuppel und den Glockentürmen noch eindrucksvoller als je zuvor.
    Buckingham House war ebenfalls ein neu entstandenes Gebäude, das der König als Privatresidenz erstanden hatte und es schrittweise zu einem prunkvollen Palast ausbauen ließ.
    Inzwischen waren auch zusätzlich zur London Bridge noch weitere prachtvolle Brücken gebaut worden, die über die Themse führten, wie zum Beispiel die Westminster Bridge und die Blackfriars Bridge.
    Ganz deutlich zu spüren war in London der Umstand, dass England jetzt eine große Kolonialmacht war. Es gab kulturelle Einflüsse aus den unterschiedlichsten und entferntesten Ländern. Auf den Märkten wurden nun neben einheimischem Obst und Gemüse auch exotische Früchte, brauner Zucker und Tabak aus der Karibik feilgeboten. Es gab Kaffeehäuser, die ein neuartiges Gebräu aus gebrannten afrikanischen Bohnen anboten, und Teehäuser, in denen man aromatische Aufgüsse aus getrockneten Blättern aus Indien servierte. Die Schiffe der großen Handelskompanien brachten Seide aus China und Gewürze aus Indien. Der Handel mit all diesen Waren hatte viele Bürger reich gemacht, wodurch in London wiederum ein geschäftiges Finanzwesen entstanden war.
    Im Westen der Stadt war für die reichen Einwohner ein neues Wohnviertel mit vielen herrschaftlichen Gebäuden namens Mayfair gebaut worden. Auch der Berkeley Square, an dem Giles und ich uns gemeinsam ein elegantes Haus kauften, befand sich in diesem Viertel. Zudem war der öffentlich zugängliche Hyde Park nur einen Steinwurf von unserm Haus entfernt. Die feine Gesellschaft nutzte den Park bei schönem Wetter gerne ausgiebig, um ihre luxuriösen Kutschen bei einer Spazierfahrt dort vorzuführen und untereinander Komplimente auszutauschen. Nachts hingegen wurden dort desöfteren heimliche Duelle zwischen Edelmännern ausgetragen, um die bei einem Streit vermeintlich verletzte Ehre wieder herzustellen.
    Doch gab es nicht nur reiche Bevölkerungsschichten in London. Im East End der Stadt hatten sich aus kleineren Armenvierteln inzwischen ausgedehnte Slums herausgebildet. Die Verbrechensrate war entsprechend stark angestiegen, so dass man mit den Bow Street Runners eine Polizeitruppe gegründet hatte, um Kriminelle aufzuspüren und zu verhaften.
    Dennoch waren Giles und ich sehr glücklich, wieder in unserer Heimatstadt zu leben. Wenngleich das Leben in Paris ebenfalls pulsierte, so kam doch der Rhythmus in London unser beider Mentalität eher entgegen. Wir genossen die Theateraufführungen und Opern im Theatre Royal im Covent Garden und im King's Theatre am Haymarket, besichtigten die umfangreiche Sammlung an Fossilien, Antiquitäten, Kunst und Literatur von Sir Hans Sloane im British Museum , gingen in Konzerte der Academy of Ancient Music , sahen uns Cricket-Spiele im Lord's Cricket Ground , Pferderennen in Ascot und Segelregatten des Royal Thames Yacht Club auf der Themse an. Um unseren Durst zu stillen, jagten wir im Richmond Park oder im Epping Forest nördlich von London.
    Ich traf mich auch wieder desöfteren mit Mary Wollstonecraft, die ja nur wenige Monate vor uns nach London zurückgekehrt war. Mary fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, gelegentlich Beiträge für die Zeitschrift Analytical Review zu verfassen, für die sie selbst auch unter einem Pseudonym Artikel schrieb. Der Analytical Review war eine für die damalige Zeit recht radikale Zeitschrift, die sich nicht selten kritisch zu der konservativen Regierung des Premierministers Pitt äußerte, und die sich neben Politik aber auch mit den Themen Philosophie, Naturwissenschaften und Literatur befasste. Ich

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