Zeitgenossen - Kampf gegen die Sybarites (Bd. 2) (German Edition)
dass wir unverheiratet zusammenlebten, nur mehr geduldet als wirklich respektiert.
Vor allem bei Almack's , einem Gesellschaftsclub, der Bälle, Tanzabende und Lesungen für Männer und Frauen der gehobenen Gesellschaft veranstaltete, waren wir unerwünschte Gäste. Die führenden Ladys des Ton, wie zum Beispiel die Viscountess Castlereagh oder Mrs. Drummond Burrell, entschieden, wer der Mitgliedschaft bei Almack's würdig war und zählten Giles und mich trotz Vermögen und Titel nicht dazu.
Uns beide störte dies herzlich wenig, da wir auch ohne Billigung jener Patroninnen mit großem Vergnügen am übrigen Londoner Gesellschaftsleben teilnahmen. So genoss ich literarische Abende des Blue Stockings Circle , Giles hatte inzwischen sein Interesse am Whist- und Hazard-Spiel im Brooks's Club entdeckt und gemeinsam besuchten wir Tanzveranstaltungen in öffentlichen Ballhäusern, fast ebenso oft wie Theatervorführungen und Sportveranstaltungen. Uns war bewusst, dass unsere Lebensweise von der damaligen englischen Gesellschaft als geradezu skandalös freizügig empfunden wurde und dass die Franzosen in dieser Hinsicht toleranter gewesen waren, doch nachdem wir unsere Heimat so viele Jahre vermisst hatten, ließen wir uns davon nicht irritieren.
Durch meine Freundschaft zu Mary Wollstonecraft, ihrem Mann William Godwin und den vielen Kontakten im Blue Stockings Circle bewegte ich mich ohnehin oftmals in so unkonventionellen Kreisen, dass mir die eher steife Gesinnung der übrigen Gesellschaft kaum etwas ausmachte. Mary selbst hatte ja einmal mehr gegen gesellschaftliche Konventionen verstoßen, indem sie von William Godwin bereits schwanger wurde, bevor die beiden geheiratet hatten.
Im August 1797 brachte Mary ihre zweite Tochter zur Welt, der sie auf Wunsch von William ebenfalls den Namen Mary gab, und ich teilte ihrer beider Freude sehr. Umso größer war dann allerdings mein Schock, als meine Freundin keine 14 Tage später am Kindbettfieber starb. Es stimmte mich sehr traurig, dass diese engagierte und warmherzige Frau so plötzlich dem Leben entrissen wurde. Auch William war untröstlich. Kaum glaubte er, sein Glück mit Frau und Kind gefunden zu haben, da wurde es ihm auch schon wieder genommen. Marys Schwestern Eliza und Everina boten an, sich um Fanny, die erste Tochter Marys zu kümmern, doch da William nicht viel von ihnen hielt, lehnte er dies ab und adoptierte Fanny stattdessen selbst. Ich versprach ihm, ihn nach besten Kräften zu unterstützen und er akzeptierte mich dankbar als inoffizielle Patin der kleinen Mary und ihrer gerade dreijährigen Schwester Fanny.
Aus Hochachtung für seine verstorbene Frau begann William, ihre noch unveröffentlichten Schriften zu bearbeiten und veröffentlichte diese wenige Monate später gemeinsam mit ihrer Biographie. Da er darin jedoch in schonungsloser Ehrlichkeit auch Marys uneheliche Verhältnisse und ihre Selbstmordversuche schilderte, schadete er leider damit Marys Ansehen eher, als dass er ihm nutzte. Die konservative britische Presse warnte angesichts jener Biographie ihre Leser davor, Marys Prinzipien nachzueifern.
Dass Williams Aktion diese Konsequenzen hatte, tat mir sowohl für ihn als auch für die verstorbene Mary sehr leid. Denn ich wusste, dass Marys Prinzipien ebenso richtig wie die Liebe und Achtung Williams für seine Frau groß gewesen war.
Der Analytical Review stellte bald darauf sein Erscheinen ein, da nun mit Mary Wollstonecraft und Thomas Christie zwei seiner engagiertesten Autoren verstorben waren und etliche weitere sich zur Ruhe gesetzt hatten. Da William Godwin meine Ergüsse offenbar nach wie vor der Veröffentlichung wert fand, vermittelte er mir Kontakte zum European Magazin und auch zum Observer , für die ich von da an gelegentlich unter Pseudonym schrieb.
Im Blue Stockings Circle hatte man mitbekommen, dass ich Zeitzeugin einiger wichtiger Ereignisse der Französischen Revolution gewesen war, und daher bat man mich eines Tages, einen Vortrag darüber und über die möglichen Auswirkungen des freiheitlichen Denkens auf die Gleichberechtigung der Frau zu halten. Ich war angesichts dieses Vorhabens einigermaßen nervös, da ich mich nicht für eine große Rednerin hielt, und Giles machte sich ein wenig lustig darüber.
»Am Ende wirst du noch als Politikerin Karriere machen, meine Teuerste, und die Geschicke unseres Landes lenken«, stichelte Giles grinsend. »Das ist es doch, was deine Mitstreiterinnen letztendlich anstreben,
Weitere Kostenlose Bücher