Zeitgenossen - Kampf gegen die Sybarites (Bd. 2) (German Edition)
selbst immer kleiner wird.«
»Genau!«, stimmte Fergus begeistert zu. »Und dann wachsen ihm Borsten an Armen und Beinen und sein Mund verformt sich zu diesem Saugrüssel.«
Ich sah ihn ein wenig angewidert an.
»Was denn?«, verteidigte Fergus sich. »So sehen Flöhe nun mal aus.«
»Schön, du hast ja recht«, räumte ich ein. »Aber der größte Horror für unseren Helden ist, dass er so klein wird, dass seine Frau und sein Kompagnon ihn nicht mehr sehen können und denken, er sei fortgegangen. Und darum beißt er sie ganz verzweifelt wieder und wieder, um auf sich aufmerksam zu machen.«
»Gemma, du bist teuflisch«, lobte Fergus mich mit bewunderndem Grinsen.
Vier Abende später saßen wir alle abermals vor dem Kamin zusammen, bereit einander unsere Gruselgeschichten vorzutragen. Zunächst stellte Mary uns ihre Geschichte vor. Sie hieß Frankenstein oder Der moderne Prometheus und handelte von einem jungen Schweizer namens Viktor Frankenstein, der an der Universität Ingolstadt einen künstlichen Menschen erschafft. Obwohl Mary darin unverkennbar ihre Faszination für all die Berichte von Experimenten mit Leichen und die Theorien über die Erschaffung künstlichen Lebens verarbeitet hatte, war in ihrer Geschichte dennoch auch die Warnung wiederzuerkennen, dass der Mensch sich selbst nicht wie Gott aufspielen solle, indem er der Natur ins Handwerk pfuscht.
Ich war erfreut festzustellen, dass Mary eindeutig das schriftstellerische Talent ihrer Mutter geerbt hatte, es darüber hinaus aber auch noch mit einer gehörigen Portion Fantasie zu würzen verstand.
Als Nächstes schickten sich Byron und Shelley an, ihre gemeinsam erdachte Geschichte vorzutragen, die, wie sie zugeben mussten, allerdings noch unvollendet war. Daher nannten sie sie Fragment einer Novelle . Sie handelte von einem jungen Mann, der die Bekanntschaft eines mysteriösen Unbekannten namens Augustus Darvell macht. Fasziniert von dessen geheimnisvoller Aura, sucht der junge Held die Nähe zu seinem neuen Freund und unternimmt gemeinsam mit ihm eine Reise nach Osteuropa, während der Darvell unter äußerst rätselhaften Umständen verstirbt.
Gewisse Anspielungen in der Erzählung von Byron und Shelley ließen Fergus und mich darauf schließen, dass Darvell möglicherweise einen Vampir darstellen sollte, der an Auszehrung stirbt, weil er kein Blut mehr zu sich nehmen konnte, aber auf unsere und Marys Nachfragen hin gaben sich Byron und Shelley bedeckt und meinten, dies könnten wir ja erfahren, wenn sie die Novelle beendet hätten.
Nun wurden Fergus und ich aufgefordert, unsere Erzählung vorzutragen und wir stellten sie als die Geschichte des Kleinsten Blutsaugers der Welt vor.
»Ha!«, rief Byron triumphierend aus. »Also haben Sie ebenfalls einen Vampir als Gegenstand Ihrer Handlung gewählt.«
Byrons gezierte Heimlichtuerei von zuvor imitierend antwortete Fergus daraufhin abwinkend: »Warten Sie es doch erstmal ab, mein Bester!«
Und so las ich dann also unsere Geschichte vor, in der sich ein Kolonialwarenhändler namens Amos Thompson eines Tages aus unerklärlichen Gründen in einen Floh verwandelte und dadurch fortan von seiner Umwelt unbemerkt zu dem Schicksal verdammt war, seiner Gemahlin bei dem Ehebruch mit seinem Kompagnon zuzusehen. Außerstande, die beiden auf sich und seinen verhängnisvollen Zustand hinzuweisen, verblieb ihm als einzige Rache, die beiden immerfort zu beißen.
Nachdem ich geendet hatte, lachte Mary begeistert auf und auch Byron applaudierte beifällig. »Eine garstige kleine Fabel«, erklärte er anerkennend. »Wie kamen Sie auf diese Idee?«
»Ach, sie ist uns einfach so zugeflogen«, antwortete ich lächelnd.
»Fein!«, verkündete Byron und erhob sich. »Da wir jetzt alle unsere literarischen Ergüsse vorgetragen haben … Mag noch jemand Punsch? Es ist wahrlich mehr ein Wintergetränk, aber bei diesen Temperaturen kann man ihn recht gut vertragen.«
»Da muss ich leider widersprechen«, entgegnete Fergus und Byron sah ihn fragend an.
»Es haben noch nicht alle von uns ihre Ergüsse vorgetragen«, fuhr Fergus fort, »die Geschichte von Mr. Polidori fehlt noch.«
Byron wandte sich mit geringschätzendem Lächeln zu seinem Leibarzt um. »Du hast auch etwas zu Papier gebracht?«, fragte er amüsiert.
»Nun ja …«, antwortete Polidori zögernd.
Byron ließ sich wieder in seinen Sessel fallen. »Na, dann lass hören!«, forderte er ihn mit diabolischem Grinsen auf.
»Allerdings ist meine
Weitere Kostenlose Bücher