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Zeitgenossen - Kampf gegen die Sybarites (Bd. 2) (German Edition)

Zeitgenossen - Kampf gegen die Sybarites (Bd. 2) (German Edition)

Titel: Zeitgenossen - Kampf gegen die Sybarites (Bd. 2) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hope Cavendish
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Geschichte ebenfalls noch nicht ganz vollständig«, gab Polidori zu bedenken.
    »Keine Sorge, mein Bester«, erwiderte Byron sarkastisch, »etwas anderes hätte ich auch gar nicht erwartet.«
    Nach kurzem Räuspern nannte Polidori zunächst den Titel seiner Erzählung: Der Vampyr .
    Fergus und ich widerstanden dem Drang, einander bedeutungsvoll anzusehen, aber uns beiden war klar, dass unsere Spezies offenbar auf Polidori den meisten Eindruck gemacht haben dürfte, wenngleich er sich vermutlich nicht sicher war, ob er an ihre Existenz wirklich glaubte.
    Bevor er weiterlas, warf Polidori mir kurz einen schüchternen Blick zu und ich fragte mich, ob er nicht unter Umständen doch etwas von Fergus' und meiner wahren Natur ahnte.
    Im Mittelpunkt von Polidoris Geschichte stand ein Edelmann namens Lord Ruthven, der eines Tages plötzlich in der Londoner Gesellschaft erschien und diese durch seine vornehme Erscheinung und seinen geheimnisvollen Charakter beeindruckte. Trotz der Faszination, die der Fremde ausstrahlte, wurde schon bald klar, dass gleichwohl eine gewisse Gefahr von ihm ausging und schließlich kam es auch zu ersten Todesfällen.
    Polidoris Geschichte war einigermaßen diffus gehalten und hatte bislang weder einen rechten Anfang oder ein Ende noch eine klar herausgestellte Hauptfigur.
    Dementsprechend reagierte Byron auch darauf, nachdem Polidori seine Blätter senkte. »Das ist alles?«, fragte er verächtlich. »Du kreierst einen solch interessanten Charakter und machst nicht mehr daraus? Aus diesen seltsamen Andeutungen wird doch niemand schlau. Naja, es ist unverkennbar, dass das Schreiben nicht deine Profession ist.«
    Polidori senkte den Blick und er tat mir ein wenig leid, zumal ich der Ansicht war, dass seine Erzählung durchaus Potential hatte. Allerdings zögerte ich, ihm dies mitzuteilen, da es vielleicht doch etwas seltsam gewesen wäre, von einem Vampir zu einer Vampir-Geschichte ermuntert zu werden.
    Fergus hatte diese Skrupel natürlich wiedermal nicht und daher lobte er Polidori fast schon überschwänglich für seine Erzählung. Es war ganz augenscheinlich, dass er es zum Teil auch tat, um Byron zu verärgern und da mir dessen Arroganz ebenfalls gegen den Strich ging, ließ ich Fergus amüsiert seine Lobeshymne ausschmücken.
     
    Ein paar Tage später reisten Fergus und ich unter dem Vorwand, unsere Reise nun endlich fortsetzen zu wollen, aus der Villa Diodati ab. Lord Byron hatte sich zwar tatsächlich als reichlich unkonventioneller und oft auch etwas überspannter Lebemann erwiesen, doch ging sein Einfluss wohl nicht so weit, dass sich Mary dadurch zu irgendwelchen skandalösen Handlungen hinreißen lassen würde. Diese Einschätzung der Situation hatte ich auch in einem Brief an ihren besorgten Vater William in London geschrieben und er antwortete mir dementsprechend erleichtert.
    Byrons Leibarzt Polidori hingegen hatte viel mehr unter dessen Schikanen und Gehässigkeiten zu leiden, und da er sich diese offenbar nicht länger bieten lassen wollte, kündigte er kurz vor unserer Abreise unvermittelt sein Arbeitsverhältnis und verkündete, ebenfalls abreisen zu wollen.
    Ich hatte mich von Fergus dazu überreden lassen, wirklich noch einen kleinen Abstecher nach Italien zu machen und so sahen wir uns Rom, Venedig und Florenz an, bevor wir schließlich im frühen Herbst nach London zurückkehrten.
    Auch Mary Godwin und Percy Shelley waren inzwischen mit ihrem Kind schon wieder nach England zurückgekehrt und waren bald darauf nach Bath gezogen.
     
    Anfang Oktober erhielt ich plötzlich die Nachricht, dass Marys Schwester Fanny Selbstmord begangen hatte. Sie war gerade mal 22 Jahre alt gewesen und ich war ebenso wie William und Mary völlig bestürzt darüber.
    Allem Anschein nach hatte sie doch von der melancholischen Wesensart ihrer Mutter mehr geerbt, als ich vermutet hatte, und ihr Abschiedsbrief ließ darauf schließen, dass sie sich nie wirklich irgendwo zu Hause gefühlt hatte. Ihr leiblicher Vater hatte sie und ihre Mutter abgelehnt, ihre Mutter war früh gestorben, ihr Stiefvater William hatte sie zwar adoptiert, jedoch nie so geschätzt, wie sein eigenes Kind, und ihre Schwester war schließlich viel zu sehr mit ihrer Obsession für den verheirateten Percy Shelley beschäftigt. Das alles stimmte mich sehr traurig, da ich mich nach Kräften bemüht hatte, Fanny ebenso wie ihre Schwester Mary zu fördern und sie in meinen Augen eine sehr talentierte und einfühlsame junge Frau

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