ZEITLOS - Band 2 (German Edition)
Stellung!«
Der Hörsaal war kalt, da nicht geheizt werden konnte. Sie hatte sich mittlerweile schon ein wenig an die Kälte gewöhnt, denn in ihrem Apartmenthaus war die Heizung aus Sparsamkeitsgründen noch nicht in Betrieb genommen worden, da das knappe Öl in den Tanks für den ärgsten Frostes aufgespart wurde.
Im Hörsaal versammelten sich schließlich zweiundzwanzig Studierende. Während sie auf ihren Professor warteten, nutzte Nele die Zeit, um die anstehenden Besprechungspunkte an die Tafel zu schreiben.
Markus brauchte doch etwas länger, bis er endlich zu ihnen stieß. Dann ließ er sich von den Hörern berichten, wie es in ihren Heimatgemeinden aussah. Dabei stellte sich heraus, dass die Entwicklung überall ähnlich verlief – und das sogar während der ersten Monate nach dem Ereignis, als noch so gut wie keine Informationen untereinander ausgetauscht werden konnten.
Diese Erkenntnis war für sie alle überraschend. Nele erwischte sich dabei, diese erstaunliche Tatsache gedanklich nach statistischen Wahrscheinlichkeiten abzuschätzen und kam zu dem Ergebnis, dass die Wahrscheinlichkeit einer derartigen Duplizität der Ereignisse bei Null liegen musste. Das war mehr als erstaunlich – das war unmöglich!
Im selben Augenblick assoziierte ihre Erinnerung, dass sie diese Erkenntnis, dass die Wahrscheinlichkeit gegen Null tendiere, schon einmal in ähnliches Erstaunen versetzt hatte. Das war, als sie sich bei ihren Untersuchungen zum damaligen Computer-Crash und dem Funkuhr-Ausfall veranlasst sah, eigene Recherchen zu weiteren, zeitgleichen Anomalien im IT-Bereich anzustellen und auch prompt fündig geworden war.
Hier gingen seltsame Dinge vor sich. Markus schien diese Erkenntnis genauso zu irritieren, wie sie alle. Als er von einer Hörerin gefragt wurde, ob er einen möglichen Erklärungsansatz bieten könne, antwortete er ohne lange zu überlegen: »Einen Ansatz hätte ich schon, denn es ist durchaus bekannt, dass zum Beispiel Erfindungen oder neue Erkenntnisse oft von mehreren Personen fast zeitgleich an verschiedenen Orten der Erde gemacht werden.
Es gibt einen britischen Forscher, Sir Rupert Sheldrake, der sich sehr intensiv mit Bewusstseinsfeldern beschäftigt. Ich empfehle Interessierten, sich mit dessen Theorien auseinander zu setzen, denn dieses Thema ist sehr umfangreich und würde unseren Rahmen hier sprengen«
Nele notierte sich den Namen augenblicklich. Wieso kannte Markus sich mit diesem, von seinem eigenen Fach meilenweit entfernten Thema so gut aus? Wieder erinnerte sie sich seiner damaligen Fragestellung, ob sie im Augenblick des Chrashs den PC für einen Freund oder Feind gehalten habe?
»Nele, könntest du uns bitte erläutern, wie der uns zugewiesene Auftrag lautet?« Unsanft aus ihren Gedanken gerissen griff sie eines der vor ihr liegenden Papiere und begann einen Abriss zu zeichnen, wie die Aussichten stünden, Silizium in der Halbleitertechnik durch andere Stoffe zu ersetzen. Im Verlauf des Nachmittages sammelten sie dazu eine Menge Ansätze und Ideen. Leider hatten alle den gravierenden Nachteil, dass es keine schnelle Lösung des Problems gab. Es war, als müssten sie das Rad neu erfinden und sich gedanklich in die Zeit vor fünfzig Jahren zurückversetzen.
Am Abend ging Nele in die Uni-Bibliothek, um möglichst als erste nach Veröffentlichungen dieses ominösen Forschers, Rupert Sheldrake, zu fahnden, bevor noch andere Hörer auf die gleiche Idee kämen.
Sie fand eine ganze Menge Stoff zu diesem Thema. Bei ihren Recherchen fiel ihr ein eigentümlicher Begriff auf. Augenscheinlich handelte es sich um ein ihr unbekanntes Verbum, es hieß groken . Das war ihr doch schon einmal irgendwo untergekommen, bloß wo? Aus dem Kontext heraus schien es etwas mit gedanklichem und empathischem Einfühlen in eine Person, ein Tier, eine Pflanze oder sogar in Elemente zu tun zu haben. Abenteuerlich für einen Forscher, sich mit derartigen Phänomenen auseinander zu setzen, fand sie.
Doch in den folgenden Tagen hatte sie keine Zeit mehr , um über diese Dinge nachzusinnen. Es war einfach zuviel Arbeit zu erledigen. Während der viertägigen Reunion entband Gesa Herbolzheimer sie von ihren Pflichten in der Verteilungsstelle.
Am dritten Tag des Treffens wurden die Machbarkeitsanalysen der verschiedenen Dekanate ausgewertet und aufeinander abgestimmt. Merkwürdigerweise verlor niemand der anderen Fachabteilungen ein Wort darüber, dass es seltsam war, dass die Dinge nach dem
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