ZEITLOS - Band 3 (German Edition)
Während Alberto ehrerbietig zurück trat und sich in die Kette der singenden Weisen einreihte, begannen die Schädel ihre Leuchtkraft zu erhöhen. Mit dem Absetzen von Corona de Luz setzte zeitgleich das Spiel der heiligen Trommel ein. Ihr schneller Schlag forderte nicht nur die zweiundfünfzig um das Ojo santo herumstehenden Weisen auf, ihren Geist auf diese finale Reise, von der vierten in die fünfte Welt, einzustimmen, sondern auch die am Fuße des Monumentalsteins versammelten übrigen Mitglieder des Maya-/Itzá-Rates.
Sie alle wussten sich in dieser Stunde vereint mit allen mayablütigen Nachkommen, die eigens für dieses Hochritual auf dieser Welt inkarniert waren und im Fleische lebten, vereint mit dem weltweiten Schamanennetzwerk International Society for Shamanistic Research, vereint mit den pulsierenden Meridianen von Mutter Erde, die alle mit dem Ojo santo in Verbindung standen. Angeregt durch das Finale Lied der singenden Kristallschädel, in denen das Maya-Gedächtnis der vorangegangenen Jahrtausende schlummerte, erwachten die in ihnen wohnenden uralten Schamanenseelen, nun bereit, ihre von den Ahnen zugedachte Aufgabe zu erfüllen ...
Ja, die deutschen Freunde hatten es mit ihrer wahnwitzigen Aktion, mit der sie damals den weltweiten Computerausfall ausgelöst hatten, tatsächlich geschafft, mehr als die Hälfte der Menschheit auf die Schwingungsebene der fünften Welt mit hinauf zu nehmen. Die Menschen hatten mit Hilfe der daraufhin entstandenen Spiritistengruppen zu ihren angeborenen Herzenergien zurückgefunden - gerade noch rechtzeitig!
Brayasils Erinnerungen an das nun schon drei Jahre zurückliegende Geschehen im Allerheiligsten, dem Schoß von Mutter Erde, wurden jäh unterbrochen, als ein Mann mit gegeltem Haar die Terrassentür öffnete und respektvoll fragte, ob er sich zu ihm gesellen dürfe.
Liebevoll ruhte der Blick des Don auf dem in seiner Villa Sabiduria aufgenommenen Schüler, in dem noch erstaunlichere Fähigkeiten schlummerten als in Stettner, dem deutschen Physikprofessor. Mit einladender Geste wies er auf den Platz an seiner Seite, von dem aus man einen herrlichen Blick auf den Garten des Anwesens mit seinem aus Felssteinen gemauerten Brunnen hatte.
Über dem Brunnen erhob sich ein überdachtes Holzgestell mit einer Kurbelwelle, mit deren Hilfe man den Wassereimer an einem langen Seil hinab lassen konnte. Das Wasser befand sich immerhin in über zwanzig Metern Tiefe.
Ohne die Tatkraft dieses Schülers wären die Bemühungen von Neue Hoffnung Erde letztlich doch vergebens gewesen, wäre die einmalige kosmische Konstellation ohne Transformation so großer Teile der Menschheit ungenutzt vertan gewesen. Die Welt verdankte Jens Plätschner viel, sie wusste es bisher nur nicht. Welche unerhörten Strapazen hatte dieser Mann auf sich genommen, um den Schädel in letzter Minute doch noch übergeben zu können? Brayasil hatte sich von seinem Schüler den von Hindernissen gespickten Transport des Schädels genauestens schildern lassen. Plätschners Leistung verdiente uneingeschränkten Respekt.
Obwohl dieser Mann dem damaligen Hochritual unautorisiert beigewohnt hatte, waren die Geister trotzdem nicht erzürnt darüber, sondern von außergewöhnlicher Sanftheit gewesen. Fast schien es so, als sei er von ihnen dazu berufen gewesen, an diesem Ort und zu diesem Zeitpunkt anwesend zu sein.
Brayasil hatte Plätschner gegrokt, bevor er ihn als Schüler zur schamanischen Ausbildung annahm. Deshalb war ihm auch die in dessen Persönlichkeit angelegte Ambivalenz nicht verborgen geblieben. Sie bildete einen nicht zu beseitigenden Kristallisationspunkt für Brayasils Zweifel, die seine Beziehung zu Plätschner begleiteten. Dennoch durfte er die unübersehbare Akzeptanz, die die Geister Plätschner entgegenbrachten, nicht einfach ignorieren.
Daran musste der Don denken, während sie schweigend nebeneinander saßen. Dieser Schüler schien die Geister zum Freund zu haben, und das, obwohl er aus einem völlig anderen Kulturkreis mit westlich ausgerichtetem Denken kam. Lag in diesem Mann etwa das Samenkorn, des sich entfaltenden, menschlichen Mentalpotenzials?
Dieser Frage würde er auf den Grund gehen müssen. Da es keine Zufälle gab und alle Geschehnisse im Leben im Rahmen eines höheren Zusammenhanges gesehen werden mussten, entschloss sich der Don in diesem Augenblick, den Schüler bei der heutigen Übung auf eine ganz besondere Probe zu
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