ZEITLOS - Band 3 (German Edition)
Absicht, diese vom Licht hervorgerufene Verbiegung auf mechanische Weise zu erzeugen, um herauszufinden, ob ein dem inversen Piezoeffekt vergleichbarer Vorgang zu beobachten wäre. Insgeheim hatte sie gehofft, dadurch erstmals künstliches Sinta-Licht erzeugen zu können. Dem war aber nicht so. Enttäuscht löste sie den Talisman aus der Präzisionsmechanik der Spann- und Biegevorrichtung und räumte auch die übrigen für diesen Versuch aufgebauten Gerätschaften fort. Bevor sie ihr kleines Laboratorium verließ, befestigte sie den Dodekaeder-Quarz wieder an ihrer Halskette.
Sofort fühlte sie sich wohler. Es kam ihr mittlerweile schon so vor, als sei sie ohne ihren Talisman unvollständig und ohne Kraft. Vor der Transformation, die sie selbst nur auf das Tragen ihres Talismans zurückführte, hätte sie über diese Dinge nur spöttisch gelächelt. Nachdem sie den Anbruch dieser neuen Welt jetzt am eigenen Leib erfuhr und sich seit drei Jahren mit der heiligen Geometrie platonischer Körper befasste, war die Existenz mysteriöser Wirkungen nicht zu leugnen.
Die Beschäftigung mit dieser Thematik faszinierte sie, bescherten ihr doch die neu gewonnenen Erkenntnisse ganz unmittelbare Vorteile. Diese neue Welt war einfach der Hammer, und mit ihrem Talisman experimentierte sie nicht nur tagsüber auf wissenschaftlicher Ebene, sondern noch viel lieber nachts, auf einer noch aufregenderen, lustvolleren ...
Sie wusste: Wenn sie den Quarz an der Goldkette genau auf der Höhe ihres Brustbeines platzierte, so löste er dort dieses Kribbeln aus und steigerte ihr Gefühlsleben auf neue, nie gekannte Höhen. Diese Entdeckung war aber nur eine von mehreren überraschenden Erkenntnissen, zu denen ihr der Talisman bereits verholfen hatte.
Ein anderer, noch spannenderer Effekt war, dass, wenn sie sich intensiv auf einen gefühlsmäßigen Erlebenswunsch fokussierte, sich ihre Realität danach gestaltete. Sie fühlte sich dadurch in die Lage versetzt, buchstäblich Regisseurin ihres eigenen Lebens zu sein - und zwar ohne etwas dafür im Physischen zu tun! Das hatte sie nun sehr oft getestet und war dabei immer noch einen Schritt weiter gegangen, weil ihr dieses Spiel so unheimlich viel Spaß bereitete.
Sie ging in ihr Büro und warf einen Blick auf den Terminplaner. In einer halben Stunde begann der Workshop e-motion = energy in motion? , den sie leitete. Sie wollte die verbleibende Zeit nutzen, um sich für dieses Training einzustimmen und ihre Erlebenswünsche zu imaginieren. Sie hatte den Studenten auf dem Workshop-Flyer schließlich ein spannendes Erlebnis versprochen.
Sie schloss die Tür hinter sich ab und legte sich auf die im Hintergrund des Büros stehende Ruheliege. Den Dodekaeder hielt sie mit einer Hand fest, damit er nicht verrutschte, konzentrierte sich auf ihre Atmung und schloss langsam die Augenlider. Während des Herunterfahrens ihrer Hirnaktivitäten in einen Zustand, der knapp über der unteren Schwelle des Alpha- zum Theta-Bereich ihrer Hirnstromkurven lag, begann der Quarz in ihrer Hand warm zu werden. Sie stellte sich die Mentaltrainingsstunde und den Effekt vor, den sie den Studenten zeigen wollte.
Das Rasseln der altmodischen Kurzzeituhr riss sie eine Viertelstunde später aus ihrer geistigen Versenkung. Sie stand auf, sah prüfend in den Spiegel, lächelte provokant ihrem Konterfei zu und schloss die Tür auf. Es konnte losgehen. Beschwingt ging sie hinüber in die Sporthalle, wo die Workshopgruppe sicherlich schon wartete. Die sollten was erleben, hatte sie ja versprochen ...
Im kleinen Gymnastikraum wurde sie von fünfundzwanzig Studenten erwartet, die ihre Isomatten bereits ungleichmäßig auf dem Boden verteilt hatten und nun sockfuß erwartungsfroh dem Training entgegensahen. Nele begrüßte die Gruppe mit Sprechstimme und hatte plötzlich einen Einfall: Die fünfundzwanzig Leutchen würden genau ein kreisförmiges Netz aus fünf Fünfecken ergeben. Sie setzte sich in die Mitte des Raumes und wies die Studenten an, ihre Isomatten zu gleichseitigen Fünfecken um sie herum anzuordnen. Dadurch ergab die freibleibende Mitte in der sie saß, automatisch ein ebensolches Fünfeck. Das sah schon mal großartig aus. Sie wusste in diesem Augenblick selbst nicht, was sie zu diesem Einfall inspiriert hatte.
Nachdem Ruhe eingekehrt war, alle mit geschlossenen Augen rücklings auf ihren Matten lagen und sich auf die Atmung fokussierten, begann Nele die Meditation
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